Die Neuburger Kammeroper hat es sich zur Aufgabe gemacht, nur Opern aufzuführen, die kaum an anderen Opernhäusern zu hören und zu sehen sind.

Foto: Theatermeister Mario Liesler

55. Produktion im Stadttheater Neuburg/Donau am 22., 23., 28., 29., 30. Juli, jeweils um 20 Uhr

„Vergebliche Vorsicht“

(On ne s’avise jamais de tout)

Opéra comique in einem Akt

und

„List oder und Vernunft“

(Rose et Colas)

Opéra comique in einem Akt

Libretti von Michel Jean Sedaine (1717 – 1797)

Musik von

Pierre Alexandre Monsigny (1729 – 1817)

Dr. Schweig

Udo E. Kaiser

Jeanne, sein Mündel

Da-yung Cho

Margarita, seine Haushälterin

Denise Felsecker

Dorval, ein verliebter junger Mann in verschiedenen Rollen

Semjon Bulinsky

Ein Kommissar

Horst Vladar

Mathurin, ein Bauer

Michael Hoffmann

Rose, seine Tochter

Da-yung Cho

Pierre Leroux, ein anderer Bauer

Udo E. Kaiser

Colas, sein Sohn

Semjon Bulinsky

Mère Babette

Denise Felsecker

Musikalische Leitung

Alois Rottenaicher

Inszenierung

Michael Hoffmann

„Vergebliche Vorsicht“

Horst Vladar

„List oder und Vernunft“

 

Bühnenbild

Michele Lorenzini

Korrepetition

Su-Jin Kim

In „Vergebliche Vorsicht“ versucht der etwas miesgrämige, schon alternde Dr. Schweig sein Mündel Jeanne zur Frau zu bekommen.Unterstützt wird er dabei von seiner Haushälterin. Doch hat das junge Mädel schon längst einen anderen, passenderen Bewerbeer erwählt, dem es gelingt in den verschiedensten Verkleidungen die Pläne des Alten Dr. zu durchkreuzen.

In „List oder und Vernunft“ hat der Bauer Mathurin eine Tochter und Pierre Leroux einen Sohn. Sie sind alte Freunde, und so haben sie eigentlich nichts dagegen, dass sich die zwei jungen Leute gefunden haben und heiraten wollen. Doch dann fällt ihnen ein, dass die Ernte vor der Tür steht, bei der nach der Heirat ohne Hilfe wären. So täuschen Sie einen unüberwindbaren Streit vor. Durchkreuzt wird ihr Plan aber vom Dorforiginal, der alternden Mère Babette, die geschickt „der Natur zu ihrem Recht“ und den beiden Alten zur Einsicht verhilft.

Monsigny gilt als einer der „Väter“ der Opéra comique. Er schuf seine äußerst erfolgreichen (meist einaktigen) Opern bewusst als Gegensatz zur zunächst vorherrschenden großen (italienischen) Oper mit ihren heroischen Themen und der koloraturbeladenen Musik. Mit Sedaine hatte er einen ausgezeichneten Librettisten mit viel Humor gefunden. Be-herrschten zuvor Götter und Könige die Opernbühne, betraten jetzt einfache Handwerker und Bauern zur Freude des Publikums die Opernbühne. Mehrere Komponisten die seinem Beispiel folgten, waren schon in Neuburg bei der NKO zu hören: Philidor, Gretry, Catel, della Maria, Martini, Isouard, Mehul, Berton und Herold. Aber auch deutsche Komponisten wie Danzi, Schweitzer und Weigl schufen kleinere Opern in seinem Sinne.

Pressestimmen zu unserer Produktion 2022:

Bei den Sängern ist durchweg schön, wie die deutsche Übersetzung auf die gesangliche Linie einwirkt. Weder der Regisseur Horst Vladar noch der Dirigent Alois Rottenaicher treiben das Ensemble in Zungenbrecher, welche durch überhetzte Tempi unvermeidlich wären. Der Abend versteht sich als Plädoyer für natürlich fließende statt exzentrische Bewegtheit. Das wirkt wie eine Orientierung an Kriterien der Nachhaltigkeit und Bio-Diversität, bei der mediterranes Saatgut mit geringfügigen Unterschieden der Reifezeiten auch zu leichten Abweichen der genuinen Geschmacksresultate führen kann. Mit anderen Worten: Die

Neuburger Kammeroper leistet ein zukunftsfähiges und für die Festivallandschaft vorbildliches Produktmanagement, bei dem Schein und Sein authentisch übereinstimmen. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass der Jubel wieder einmal riesig war.

27.07.2022 – Roland H. Dippel in „Donaukurier“ und bei nmz

 

 

„Die Poststation“  Ein kleines Werk, auf die Bühne gehoben aus Coronanöten, da Verant-

wortliche und Interpreten ohne Chor inszenieren wollten. Damit also eine musikalisch an-

sprechende, kurzweilig inszenierte, bezaubernd und unterhaltsam gespielte Komödie nach Lous-Benoit Picardi, vom populären Librettisten Guiseppe Palombo für die Bühne bearbeitet, mit Musik von Guiseppe Mosca, vielkomponierender Schöpfer überwiegend komischer Opern auch für die bekanntesten Opernhäuser‘ Italiens. Zeitgenosse Giacomo Rossinis (nach seiner Behauptung habe dieser bei ihm abgekupfert). Dass das 18. Jahrhundert auch eine Zeit voller Umbrüche war – egal. Hauptsache, man wurde unterhalten. Damals wie heute: Und das ist es ja, was auch bei dieser kleinen „fast opera buffa“ zählt!

—-

Komponist Mosca, gefällig komponierend, meint es gut mit seinen Sängerinnen und Sängern.

Sie dürfen sich alle in großen, anspruchsvollen, sehr ansprechenden Arien vorstellen – Konstanze (die kapriziöse Sopranistin Da-yung Cho mit silbrig glänzendem, begeisterndem Timbre) mit eingängigen Melodien, der Offizier (der Tenor Semjon Bulinsky mit schönem, hellem, metallischen Glanz und sicherer Höhe) mit unter anderem einer „Bildnisarie“, für

Holzhändler (der in Neuburg fast schon eine Institution gewordene Bariton Michael Hoffmann mit sängerischem Glanz und herrlich komödiantischem Talent) und Advokaten (Bariton Patrick Ruyters mit schönem Timbre) mit quasi jeweils einer „Registerarie“. Auch Wirtin und Schauspielerin dürfen sich eindrucksvoll in Szene setzen. Und Horst Vladar: Die

Kammeroper ohne ihn ist schlichtweg nicht vorstellbar! Dirigent Alois Rottenaicher dirigierte wie stets pointiert den Akademischen Orchesterverband München, die Posthörner durften nicht fehlen!

 

Ulrike Hampp-Weigand in Neuburger Rundschau (25.07.22)

 

Horst Vladar, der in dieser Komödie nicht nur die Rolle des Dr. Monricard mit recht trockenem Humor gestaltet, sondern auch für die Regie verantwortlich zeichnet, setzt die Geschichte mit viel Liebe zum Detail um und verzichtet auf eine Modernisierung. Er vertraut einfach der Komik der Vorlage, setzt das spielfreudige Ensemble mit eine punktgenauen Personenregie hervorragend in Szene und beweist, dass ein Stück auch auf diese Weise bestens unterhalten kann. Mit Michele Lorenzini hat er einen Bühnenbildner zur Seite, der für die einzelnen Akte mit relativ einfachen Mitteln wunderbare Räume zaubert. –

Ein weiterer Pluspunkt des Abends ist Moscas großartige Musik, bei der man an vielen Stellen einen Hauch Rossini spürt. Mosca arbeitet in den Ensembles die sich langsam steigernden Melodienbögen sorgfältig heraus, die sich im Verlauf überlagern und jeweils zu einem grandiosen Abschluss finden. Dabei werden die einzelnen Stimmen abwechslungsreich verziert. Die einzelnen Arien hingegen haben einen typischen Singspielcharakter. Durch die ständige Abwechslung zwischen Solopassagen und vielteiligen Ensembles entwickelt das Stück ein enormes Tempo und weist in keinem Moment Längen auf. Die einzelnen Figuren werden musikalisch wunderbar gezeichnet und erhalten viel Möglichkeit, die Partien stimmlich vielfältig zu gestalten. So verwundert es nicht, dass sich Mosca zu Lebzeiten großer Beliebtheit auf den Opernbühnen Italiens erfreute.

Die einzelnen Rollen sind allesamt wunderbar besetzt. Die Partie des Holzfällers Bellomo kann als Paraderolle für den Buffo-Bariton Michael Hoffmann bezeichnet werden. Mit dem ihm ganz eigenen Spielwitz gestaltet er den Italiener, der viel mehr an der Erbschaft als an der jungen Constance interessiert ist. Wenn er zu Beginn des Stückes vom Wein angeheitert die Kutsche verlässt, punktet er in seiner Auftrittsarie mit großartiger Komik. Während man hier vielleicht noch annehmen kann, dass es sich bei dem Holzfäller um einen leicht tölpelhaften einfältigen Kerl handelt, beweist er bei der Studierung der Geburtsurkunde, dass er ein durchaus ernstzunehmender Gegner ist. Mit großer Spielfreude spielen er und Patrick Ruyters als Advokat Pavaret sich die Bälle zu und sind sich zunächst spinnefeind, bis Pavaret Bellomo im weiteren Verlauf überzeugen kann, auf seiner Seite zu stehen und ihn beim Werben um die vermeintliche amerikanische Tochter zu unterstützen. Laura Faig gestaltet die Schauspielerin Madame Santilier, die große Freude daran hat, die Rolle der amerikanischen Erbin zu übernehmen, mit großem Witz und soubrettenhaftem Charme. Da-yung Cho begeistert als Mündel Constance, die gegen ihren Willen mit dem ungeliebten Holzfäller verheiratet werden soll, mit jugendlichem Sopran und hervorragender Textverständlichkeit. Sie legt die Constance als sehr willensstarke junge Frau an, die weiß, wie sie ihren Willen durchsetzen kann. Eindringlich gestaltet sie aber auch die große Szene mit Semjon Bulinsky als Derville, wenn die beiden die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft bereits aufgegeben haben. Bulinsky punktet als Derville mit leichtem Spieltenor und ebenfalls großer Komik. Besonders das vermeintliche Duell mit Bellomo regt zum Schmunzeln an. Denise Felsecker stattet die Wirtin Madeleine mit sattem Mezzosopran aus und zeigt sie als sehr zupackende Frau, die sich am Ende nicht zu fein ist, den Holzfäller, der ihr von Anfang an gefällt, offen zu umwerben. So gibt es am Ende begeisterten und verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Die diesjährige Produktion der Neuburger Kammeroper ist nicht nur szenisch ein Genuss, sondern weckt auch großes Interesse am Komponisten Giuseppe Mosca, von dem man gerne mehr hören würde.

Thomas Molke bei http://www.omm.de/veranstaltungen/festspiele2022/ND-2022-die-poststation.html

 

Bemerkenswert für die exzellente Vorstellung war die gute Personenführung durch Regisseur Horst Vladar, der selbst die Rolle des Dr. Monricard blendend spielte. Es gelang ihm in den vielen humorvollen Szenen recht gut, die Komik nicht in Klamauk abdriften zu lassen.  Star des Sängerensembles war unumstritten die in Wien geborene koreanische Sopranistin Da-yung Cho in der Rolle der Constance. Sowohl stimmlich wie darstellerisch überzeugte sie in jeder Szene – auch durch ihre brillante Mimik und Gestik.

Überzeugend in der Rolle des Offziers Derville agierte auch der in der Schweiz geborene Tenor Semjon Bulinsky, der bereits auf eine große internationale Karriere zurückblicken kann. Es gelang ihm recht gut, seinen Kampf um die geliebte Constance auf der Bühne des Stadttheaters Neuburg darzustellen. Seinen Gegner Bellomo, den Holzhändler aus Neapel, spielte der deutsche Bariton Michael Hoffmann, der bereits seit Jahren als Komiker auf der  Neuburger Bühne Erfolge feiert. Auch diesmal gelang es ihm, das Publikum zu begeistern.

Den Advokaten Pavaret gab der deutsche Bariton Patrick Ruyters. Durch seine starke Bühnenpräsenz gelang es ihm, die Rolle auf vielfältige Weise zu spielen, wobei auch die Komik nicht zu kurz kam. Sehr überzeugend agierte die deutsche Mezzosopranistin Denise Felsecker in der Rolle der Wirtin Madeleine sowohl stimmlich wie darstellerisch. Der vielseitigen Künstlerin – sie ist nicht nur Sängerin und Schauspielerin, sondern auch Malerin und Tänzerin – nahm man die Fürsorge für ihre Gäste der Poststation voll ab. Für die Neuburger Kammeroper war sie bereits zum wiederholten Male im Einsatz.

Die aus Ingolstadt gebürtige Sopranistin Laura Faig, die ebenfalls bereits sehr oft in Neuburg auftrat, spielte die Rolle der Schauspielerin Santilier gleichfalls überzeugend. Auch bei ihrem Auftritt als falsche Amerikanerin. Das optisch gelungene Bühnenbild gestaltete wieder der italienische Maler Michele Lorenzini, für die Korrepetition zeichnete die Südkoreanerin Su Jin Kim verantwortlich, die auch als Assistentin des Dirigenten tätig ist. Für die Beleuchtung und technische Leitung waren Bernhard Kugler und Mario Liesler verantwortlich. Die Produktionsassistenz hatte Annette Vladar inne.

Das Dirigat des 24köpfigen Orchesters lag bei Alois Rottenaicher, der bereits mehr als 20 Jahre der musikalische Leiter der Neuburger Kammeroper  ist. Schon bei der flott gespielten Ouvertüre konnte das Publikum die Ähnlichkeit der Musik von Giuseppe Mosca mit jener von Rossini erkennen. Am Ende der Vorstellung bereiteten die begeisterten Besucherinnen und Besucher dem gesamten Sängerensemble und dem Dirigenten minutenlang Ovationen. Verdientermaßen!

Udo Pacolt bei: https://onlinemerker.com/neuburg-donau-die-poststation-opernraritaet-von-giuseppe-mosca/

 

Neuburger Kammeroper