Reinhard Köchl in „NEUBURGER RUNSCHAU“ (21.07.2024)
Wenn man sieht, wie liebevoll mit relativ einfachen Mitteln die Bühne in Neuburg jedes Jahr wieder von Michele Lorenzini gestaltet wird und welchen Effekt allein das Bühnenbild erzielt, mag die Frage aufkommen, warum sich das deutsche Regie-Theater an zahlreichen Opernhäusern häufig für hässliche Modernisierungen entscheidet. Der Hof des Schlosses, in dem sich zunächst die Arbeiterinnen und Arbeiter versammeln, um vom strengen Verwalter Gennaro an ihre Pflichten erinnert zu werden, ist mit unverkleideten Bühnenwänden ausgestattet, die sogar die eine oder andere witzige Schmiererei aufweisen. Nach der Pause verwandelt sich die Bühne mit pittoresk gestalteten Wänden in das Zimmer der Baronin, die sich vor einem Spiegel die Zeit mit Modespielereien vertreibt. Auch die von der Kostümabteilung Lüneburg zur Verfügung gestellten Kostüme tragen ihren Teil zu einem Augenschmaus bei. Der Höhepunkt ist dann aber, dass das Zimmer noch in einen großen Saal verwandelt wird, wobei eine Wendeltreppe links und rechts in eine obere Etage führen. Hier gibt sich der Graf schließlich seiner Gattin zu erkennen.
Auch die Personenregie von Horst Vladar zeigt erneut, dass ein komödiantisches Werk des 19. Jahrhunderts auch ganz gut ohne Modernisierung auskommt, wenn man den Text und die Geschichte ernst nimmt. Der Spaß, den der Chor der Neuburger Kammeroper und die Solistinnen und Solisten auf der Bühne verbreiten, überträgt sich herrlich auf das Publikum. Wunderbar arrogant spielt Da-yung Cho die hochmütige junge Gräfin, die nach dem Radbruch ihrer Kutsche auf dem Schloss landet, und den Verwalter Gennaro und den Pächter Giovanni, die sich ihr gegenüber nicht angemessen verhalten, mit einer Mistgabel über die Bühne jagt. Umso heftiger zahlen es ihr die beiden heim, als sie glauben, dass der Graf nur ein mittelloser Arbeiter und Fiorina damit auch keine Gräfin ist. Auch hierbei ist Patrick Ruyters und Michael Hoffmann die Spielfreude regelrecht anzusehen. Karol Bettley gibt einen im Herzen sympathischen Grafen, dem man am Ende nicht böse sein kann, so dass auch nachvollziehbar bleibt, dass Fiorina ihrem Gatten verzeiht, und auch Martha Harreiter lässt sich mit großem Spielwitz als Baronin von ihrem Bruder in das Spiel einbeziehen.
Interessant ist auch Riccis Musik, die stellenweise sehr operettenhafte Züge trägt. So viel Walzerseligkeit kennt man eigentlich erst von Franz von Suppè und Johann Strauß. In anderen Momenten schillern wiederum Rossini und Donizetti durch. Ein musikalischer Höhepunkt ist das große Buffo-Duett von Gennaro und Giovanni kurz vor Ende der Oper, wenn sich die beiden ausmalen, welche Strafe ihnen beim Grafen nun dafür droht, dass sie die Gräfin schlecht behandelt und die Umarmung des Grafen mit seiner Schwester, der Baronin, missdeutet haben. Im Witz und in der Melodie kann diese Nummer es in jedem Punkt mit den großen Buffo-Duetten bei Rossini beispielsweise in La Cenerentola oder L’inganno felice oderDonizetti im Don Pasquale aufnehmen. Annette und Horst Vladar ist es auch gelungen, diesem Duett einen wunderbar fließenden deutschen Text zu unterlegen, der durch die lebhafte Interpretation von Hoffmann und Ruyters begeistert. Cho lässt mit strahlendem Sopran als Fiorina aufhorchen. Natürlich lässt es sich auch Horst Vladar nicht nehmen, mit großem Spielwitz in einer kleinen Partie aufzutreten, die seinem Namen als Chef der ganzen Produktion alle Ehre macht: Biagio Rumore Alois Rottenaicher führt die Mitglieder des Akademischen Orchesterverbandes München e. V. gewohnt souverän durch die Partitur, so dass es auch bei der Dernière wieder großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.
FAZIT
Die Neuburger Kammeroper ist und bleibt ein Aushängeschild für gute Unterhaltung in der Region. Es bleibt zu hoffen, dass die Unterstützung der Politik und Sponsorinnen und Sponsoren auch weiterhin ausreicht, dieses Festival im Juli durchzuführen.