Interview mit Horst Vladar in BR-KLASSIK – Klassik aktuell
von Johann Jahn am 22.07.2024
von Johann Jahn am 22.07.2024
(La Comédie à la Ville)
Opéra comique in 1 Akt
Libretto von Victor Prilleux (1814-1876)
UA.: 3. Januar 1849 in Le grand Thèâtre in Gent (B)
und
(Le diable au moulin)
Opera comique in 1 Akt
Libretto von Eugène Cormon und Michel Carré
UA.: 13. Mai 1859 in der Opéra-Comique in Paris
Durosier, Bürger von Paris
Flavigny, Schauspieler
Grandval, Schauspieler
Isabelle, Tochter von Durosier
Angeline, ihre Schwester
François, Diener bei Durosier
Bügerinnen und Bürger
Chor der NKO
Antoine, ein reicher Müller
Boniface, ein Bauer
Fargeau, ein Müllerbursche
Picard, ein Feldhüter
Martha, Nichte von Boniface
Toinette, Dienerin in der Mühle
Dorfbewohnerinnen und Bauern
Chor der NKO
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Korrepetition
Alois Rottenaicher
Horst Vladar
Michele Lorenzini
Su-Jin Kim
So eine Komödie!
Der reiche Pariser Bürger Durosier will seine beiden Töchter standesgemäß verheiraten und hat für sie die – auch ihm noch nicht bekannten – Söhne von Jugendfreunden ausgewählt. Briefe kündigen ihre Ankunft an, und Durosier bereitet seine Töchter darauf vor. Sie sind entsetzt, denn sie haben schon Liebhaber: zwei Schauspieler. Diese stellen sich Durosier vor, doch der „Bürger“ weist die Künstler schroff ab. Sie erfahren von den Töchtern, dass die vom Vater vorgesehenen Schwiegersöhne in Kürze eintreffen werden. Schnell beschließen die Schauspieler ihr Talent zu beweisen, verkleiden sich und spielen dem entsetzten „Schwiegervater in spe“ charakterlich völlig unmögliche Typen vor, so dass dieser seinen Jugendfreunden mitteilt, aus den Hochzeiten könne nichts werden. Da geben sich die Komödianten zu erkennen. Durosier ist von ihrem Können so angetan, dass er den Verbindungen mit seinen Töchtern zustimmt.
Der Teufel von der Mühle
Der reiche, eigenwillige Müller Antoine beschließt zu heiraten und zwar schnell. Im Umland ist bekannt, dass er zwar oft recht nett sein kann, aber auch manchmal launenhaft und cholerisch, was ihm den Spitznahmen „Teufel“ eingebracht hat. Wegen seiner positiven Seiten halten es auch das Dienstmädchen Toinette und der Müllerbursche Fargeau, die ineinander verliebt sind, bei ihm aus. – Boniface, ein Bauer aus der Gegend, kommt mit seiner hübschen Nichte Martha wegen Geschäften in die Mühle. Martha findet den Müller, dem auch sie gefällt, eigentlich ganz in Ornung. Das schlaue Mädchen spielt dem Müller sein Spiegelbild vor, und es gelingt ihr nach einigen „chaotischen Runden“ Antoine zu bekehren.
Luigi Ricci, geboren 1805, studierte in Neapel bei Zingarelli und Generali. Schon 1823 kam seine erste Oper auf die Bühne, der noch 30 – viele äußerst erfolgreich – folgten. So wurde z. B. seine „Chi dura vince“ (= etwa „Wer durchhält gewinnt“) in mehrer Sprachen übersetzt und nach der Uraufführung in Rom u. a. in Wien, Berlin, Paris gespielt. MGG: „Entgegen der von zahlreichen Musikern seines Jh. verfolgten pathetischen Mode entwickelte er einen eigenen, in der Nachfolge Donizettis stehenden Stil. Wie bei diesem sind seine Werke voll Brio, spontan, leicht hingeworfen, doch nicht ohne Leidenschaft, reich und orginell instrumentiert, voll frischer und graziöser Melodik.“
Ricci starb 1859 in Prag.
Jacopo Ferretti, geboren 1784 in Rom, war einer der fruchtbarsten Librettisten im 19. Jhd. und arbeitete für die berühmtesten Komponisten seiner Zeit, mit denen er auch befreundet war. „Die Vielseitigkeit und Spontaneität seiner Werke heben ihn als einen der wenigen wahren Dichter der romatischen italienischen Oper hervor.“ (New Grove) Er starb 1852 in Rom.
Regisseur Hort Vladar bewies wieder einmal sein feines Gespür und grub die romantische Opera buffa, die 1834 in Rom uraufgeführt wurde, für die Neuburger Kammeroper aus. Und besetzte die Rollen mit gesanglich und schauspielerisch überzeugenden Akteuren.
Die Premiere am Samstag war ein Riesenerfolg, auch weil Alois Rottenaicher die Musiker des Akademischen Orchesterverbands München leidenschaftlich und mit viel Verve in den spritzig-lebendigen Stil von Ricci dirigierte.
Dabei überzeugte vor allem der Belcanto, der bei der Opera buffa oft über das reine Textverständnis gesetzt wird. Und hier schritt Da-yung Cho als Primadonna allen voran, denn ihr glasklarer Sopran mit bemerkenswert reicher Koloratur und beachtlichem Vibrato füllte den ganzen Saal und blieb stets verständlich.
Emilio (Karol Bettley) agiert indes in einer Doppelrolle: Sein Tenor trägt sein Dilemma hell und strahlend in den Raum und changiert je nach Stimmungslage zwischen kraftvollem und lyrischem Ausdruck.
Zu den heimlichen männlichen Stars des Abends mutieren Patrick Ruyters als Schlossverwalter Gennaro und Michael Hoffmann als Giovanni. Beide singen ihre Rollen im Bariton – und doch mit derart unterschiedlichem Timbre und Spielcharakter, dass ihre Interaktion nie langweilig wird. Sie beweisen Menschenkenntnis und Bauernschläue, in ihren spritzigen Dialogen liegt oft die eigentliche Situationskomik der Oper begründet: Gräfin Fiona geht mit einer Mistgabel auf die beiden los, die sie für eine Betrügerin halten. Hinter Andrea alias Emilio spionieren sie heimlich her und ertappen ihn bei einer Umarmung mit seiner vermeintlichen Geliebten, der Baronin Galeotti (Martha Harreiter im expressiven Sopran), die in Wirklichkeit seine Schwester ist.
Juwel der komischen Opernliteratur
Und auch die deutsche Übersetzung des Librettos von Giacopo Ferretti ist gelungen – auch wenn natürlich die vokalreiche, weiche italienische Sprache ganz anders gesungen werden kann. Die moralische Botschaft der Ricci-Oper erscheint in ein Zitat von Theodor Fontane gekleidet: „Zwischen Hochmut und Demut steht ein drittes, dem das Leben gehört, und das ist der Mut.“ Mut und Ausdauer – „Chi dura vince“ – brauchten an diesem Premierenabend aber vor allem die Protagonisten auf der Bühne und die Musiker im fast unerträglich heißen Orchestergraben. Alle hielten bravourös durch und bescherten dem Neuburger Publikum in der spätbiedermeierlichen Kammeroper ein Juwel der komischen Opernliteratur. Ein absolutes Muss für alle Opernliebhaber.
Robert Luff in „DONAUKURIER“ (22.07.2024)
Es ist ein munteres Verwirrspiel um die Berg- und Talfahrten einer Ehe, um Dünkel, Hochmut, Arroganz und Anmaßung, bei denen die Darstellerinnen und Darsteller ihre Rollen sicht- und hörbar genießen. Da wären Karol Bettley als verschmitzter Graf Sanviti, der heimlich in die Rolle des Landarbeiters Andrea schlüpft, Martha Harreiter als Baronin Galeotti, eine lebensfrohe Jungwitwe und Schwester des Grafen, der verschlagene Schlossverwalter Gennaro Malerba, den Patrick Ruyters mit großem mimischen und sängerischen Gestus verkörpert, oder der opportunistisch-devote Weingut-Pächter Giovanni Gioja, den Michael Hoffmann glaubhaft nachzuzeichnen versteht.
Der Star des Abends ist die südkoreanische Sopranistin Da-yung Cho, die die Rolle der frisch verheirateten, etwas zickigen Gräfin Fiorina Sanviti auf derart beeindruckende Art und Weise ausfüllt und stimmlich brilliert, dass das Publikum nicht umhinkann, dies mit schier großem Beifall und Bravo-Rufen zu honorieren. Nicht vergessen werden darf auch die herausragende technische und akustische Umsetzung der „Rosskur“, die das manchmal gewöhnungsbedürftige, weil nur unzureichend verständliche Erlebnis „Oper“ auch in Neuburg zum puren Vergnügen erhebt.
Da stehen sie also nun auf der Bühne, schweißgebadet und glücklich, bekommen locker Vorhänge, müssen sich immer wieder verbeugen, während im Graben die Musikerinnen und Musiker des Akademischen Orchesterverbandes München sitzen. Es hat sich gelohnt, an den Plänen für „Eine Rosskur“ festzuhalten, das bereits 2020 auf dem Spielplan stand, aber wegen des Lockdowns auf die lange Bank geschoben werden musste. Und einmal mehr hat Horst Vladar Recht behalten, wie so oft im 55-jährigen Dasein „seiner“ Kammeroper. Dieser Neuburger Instanz.
Reinhard Köchl in „NEUBURGER RUNSCHAU“ (21.07.2024)
Wenn man sieht, wie liebevoll mit relativ einfachen Mitteln die Bühne in Neuburg jedes Jahr wieder von Michele Lorenzini gestaltet wird und welchen Effekt allein das Bühnenbild erzielt, mag die Frage aufkommen, warum sich das deutsche Regie-Theater an zahlreichen Opernhäusern häufig für hässliche Modernisierungen entscheidet. Der Hof des Schlosses, in dem sich zunächst die Arbeiterinnen und Arbeiter versammeln, um vom strengen Verwalter Gennaro an ihre Pflichten erinnert zu werden, ist mit unverkleideten Bühnenwänden ausgestattet, die sogar die eine oder andere witzige Schmiererei aufweisen. Nach der Pause verwandelt sich die Bühne mit pittoresk gestalteten Wänden in das Zimmer der Baronin, die sich vor einem Spiegel die Zeit mit Modespielereien vertreibt. Auch die von der Kostümabteilung Lüneburg zur Verfügung gestellten Kostüme tragen ihren Teil zu einem Augenschmaus bei. Der Höhepunkt ist dann aber, dass das Zimmer noch in einen großen Saal verwandelt wird, wobei eine Wendeltreppe links und rechts in eine obere Etage führen. Hier gibt sich der Graf schließlich seiner Gattin zu erkennen.
Auch die Personenregie von Horst Vladar zeigt erneut, dass ein komödiantisches Werk des 19. Jahrhunderts auch ganz gut ohne Modernisierung auskommt, wenn man den Text und die Geschichte ernst nimmt. Der Spaß, den der Chor der Neuburger Kammeroper und die Solistinnen und Solisten auf der Bühne verbreiten, überträgt sich herrlich auf das Publikum. Wunderbar arrogant spielt Da-yung Cho die hochmütige junge Gräfin, die nach dem Radbruch ihrer Kutsche auf dem Schloss landet, und den Verwalter Gennaro und den Pächter Giovanni, die sich ihr gegenüber nicht angemessen verhalten, mit einer Mistgabel über die Bühne jagt. Umso heftiger zahlen es ihr die beiden heim, als sie glauben, dass der Graf nur ein mittelloser Arbeiter und Fiorina damit auch keine Gräfin ist. Auch hierbei ist Patrick Ruyters und Michael Hoffmann die Spielfreude regelrecht anzusehen. Karol Bettley gibt einen im Herzen sympathischen Grafen, dem man am Ende nicht böse sein kann, so dass auch nachvollziehbar bleibt, dass Fiorina ihrem Gatten verzeiht, und auch Martha Harreiter lässt sich mit großem Spielwitz als Baronin von ihrem Bruder in das Spiel einbeziehen.
Interessant ist auch Riccis Musik, die stellenweise sehr operettenhafte Züge trägt. So viel Walzerseligkeit kennt man eigentlich erst von Franz von Suppè und Johann Strauß. In anderen Momenten schillern wiederum Rossini und Donizetti durch. Ein musikalischer Höhepunkt ist das große Buffo-Duett von Gennaro und Giovanni kurz vor Ende der Oper, wenn sich die beiden ausmalen, welche Strafe ihnen beim Grafen nun dafür droht, dass sie die Gräfin schlecht behandelt und die Umarmung des Grafen mit seiner Schwester, der Baronin, missdeutet haben. Im Witz und in der Melodie kann diese Nummer es in jedem Punkt mit den großen Buffo-Duetten bei Rossini beispielsweise in La Cenerentola oder L’inganno felice oderDonizetti im Don Pasquale aufnehmen. Annette und Horst Vladar ist es auch gelungen, diesem Duett einen wunderbar fließenden deutschen Text zu unterlegen, der durch die lebhafte Interpretation von Hoffmann und Ruyters begeistert. Cho lässt mit strahlendem Sopran als Fiorina aufhorchen. Natürlich lässt es sich auch Horst Vladar nicht nehmen, mit großem Spielwitz in einer kleinen Partie aufzutreten, die seinem Namen als Chef der ganzen Produktion alle Ehre macht: Biagio Rumore Alois Rottenaicher führt die Mitglieder des Akademischen Orchesterverbandes München e. V. gewohnt souverän durch die Partitur, so dass es auch bei der Dernière wieder großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.
Thomas Molke bei http://www.omm.de/impress.htm
FAZIT
Die Neuburger Kammeroper ist und bleibt ein Aushängeschild für gute Unterhaltung in der Region. Es bleibt zu hoffen, dass die Unterstützung der Politik und Sponsorinnen und Sponsoren auch weiterhin ausreicht, dieses Festival im Juli durchzuführen.