Eine Rosskur
56. Produktion im Stadttheater Neuburg/Donau am 20., 21., 26., 27., 28. Juli 2024
Eine Rosskur
Komische Oper in zwei Akten
Libretto von Giacopo Ferretti
Musik von
Luigi Ricci
Graf Emilio Sanviti, unter dem Namen Andrea
Karol Bettley
Gräfin Fiorina Sanviti
Da-yung Cho
Baronin Galeotti, Schwester des Grafen
Martha Harreiter
Gennaro Malerba, Verwalter des Schlosses
Patrick Ruyters
Giovanni Gioja, Pächter eines Weinberges
Michael Hoffmann
Biagio Rumore, Hauptmann der Schlosswache
Horst Vladar
Arbeiterinnen und Arbeiter, Zofen, Dienerinnen und Diener
Chor der NKO
Musikalische Leitung
Alois Rottenaicher
Inszenierung
Horst Vladar
Bühnenbild
Michele Lorenzini
Korrepetition
Su-Jin Kim
Der Graf Sanviti liebt seine Frau Fiorina heiß und innig, doch stören ihn deren Hochmut und Ignoranz, so dass er sie davon kurieren will. Er taucht unter und gibt sich seinem Arbeitgeber gegenüber als reuiger Hochstapler aus. Eigentlich sei er ein einfacher Arbeiter. Er lässt seine Frau wissen, dass sie ihn auf einem neu erworbenen Schloss treffen werde, wohin auch die Baronin Galeotti, seine verwitwte Schwester kommen werde. Kurz vor dem Schloss hat Fiorinas Kutsche eine Panne, auf deren Behebung sie bei dem Weingut, wo nun der Graf arbeitet, warten muss. Beim Zusammentreffen beichtet der Graf seine angebliche Hochstapelei. Seine Frau ist empört. Sanviti arrangiert es, dass alle am Streit Beteiligten verhaftet und aufs Schloss gebracht werden. – Fiorina will sich auf alle Fälle scheiden lassen, was den Grafen sehr trifft. Als aber sie aber ihren Mann „erwischt“ wie er seine Schwester umarmt, hält sie diese für die Geliebte des Grafen. Ihre Eifersucht erwacht und wandelt sich immer mehr zu Liebe. Das Ende ist dann bei einer komischen Oper wohl bald voraussehbar.
Luigi Ricci, geboren 1805, studierte in Neapel bei Zingarelli und Generali. Schon 1823 kam seine erste Oper auf die Bühne, der noch 30 – viele äußerst erfolgreich – folgten. So wurde z. B. seine „Chi dura vince“ (= etwa „Wer durchhält gewinnt“) in mehrer Sprachen übersetzt und nach der Uraufführung in Rom u. a. in Wien, Berlin, Paris gespielt. MGG: „Entgegen der von zahlreichen Musikern seines Jh. verfolgten pathetischen Mode entwickelte er einen eigenen, in der Nachfolge Donizettis stehenden Stil. Wie bei diesem sind seine Werke voll Brio, spontan, leicht hingeworfen, doch nicht ohne Leidenschaft, reich und orginell instrumentiert, voll frischer und graziöser Melodik.“
Ricci starb 1859 in Prag.
Jacopo Ferretti, geboren 1784 in Rom, war einer der fruchtbarsten Librettisten im 19. Jhd. und arbeitete für die berühmtesten Komponisten seiner Zeit, mit denen er auch befreundet war. „Die Vielseitigkeit und Spontaneität seiner Werke heben ihn als einen der wenigen wahren Dichter der romatischen italienischen Oper hervor.“ (New Grove) Er starb 1852 in Rom.
Pressestimmen 2024
Regisseur Hort Vladar bewies wieder einmal sein feines Gespür und grub die romantische Opera buffa, die 1834 in Rom uraufgeführt wurde, für die Neuburger Kammeroper aus. Und besetzte die Rollen mit gesanglich und schauspielerisch überzeugenden Akteuren.
Die Premiere am Samstag war ein Riesenerfolg, auch weil Alois Rottenaicher die Musiker des Akademischen Orchesterverbands München leidenschaftlich und mit viel Verve in den spritzig-lebendigen Stil von Ricci dirigierte.
Dabei überzeugte vor allem der Belcanto, der bei der Opera buffa oft über das reine Textverständnis gesetzt wird. Und hier schritt Da-yung Cho als Primadonna allen voran, denn ihr glasklarer Sopran mit bemerkenswert reicher Koloratur und beachtlichem Vibrato füllte den ganzen Saal und blieb stets verständlich.
Emilio (Karol Bettley) agiert indes in einer Doppelrolle: Sein Tenor trägt sein Dilemma hell und strahlend in den Raum und changiert je nach Stimmungslage zwischen kraftvollem und lyrischem Ausdruck.
Zu den heimlichen männlichen Stars des Abends mutieren Patrick Ruyters als Schlossverwalter Gennaro und Michael Hoffmann als Giovanni. Beide singen ihre Rollen im Bariton – und doch mit derart unterschiedlichem Timbre und Spielcharakter, dass ihre Interaktion nie langweilig wird. Sie beweisen Menschenkenntnis und Bauernschläue, in ihren spritzigen Dialogen liegt oft die eigentliche Situationskomik der Oper begründet: Gräfin Fiona geht mit einer Mistgabel auf die beiden los, die sie für eine Betrügerin halten. Hinter Andrea alias Emilio spionieren sie heimlich her und ertappen ihn bei einer Umarmung mit seiner vermeintlichen Geliebten, der Baronin Galeotti (Martha Harreiter im expressiven Sopran), die in Wirklichkeit seine Schwester ist.
Juwel der komischen Opernliteratur
Und auch die deutsche Übersetzung des Librettos von Giacopo Ferretti ist gelungen – auch wenn natürlich die vokalreiche, weiche italienische Sprache ganz anders gesungen werden kann. Die moralische Botschaft der Ricci-Oper erscheint in ein Zitat von Theodor Fontane gekleidet: „Zwischen Hochmut und Demut steht ein drittes, dem das Leben gehört, und das ist der Mut.“ Mut und Ausdauer – „Chi dura vince“ – brauchten an diesem Premierenabend aber vor allem die Protagonisten auf der Bühne und die Musiker im fast unerträglich heißen Orchestergraben. Alle hielten bravourös durch und bescherten dem Neuburger Publikum in der spätbiedermeierlichen Kammeroper ein Juwel der komischen Opernliteratur. Ein absolutes Muss für alle Opernliebhaber.
Robert Luff in „DONAUKURIER“ (22.07.2024)
„Eine Rosskur“ – musikalisches Melodrama um Hochmut, Arroganz und Anmaßung
Es ist ein munteres Verwirrspiel um die Berg- und Talfahrten einer Ehe, um Dünkel, Hochmut, Arroganz und Anmaßung, bei denen die Darstellerinnen und Darsteller ihre Rollen sicht- und hörbar genießen. Da wären Karol Bettley als verschmitzter Graf Sanviti, der heimlich in die Rolle des Landarbeiters Andrea schlüpft, Martha Harreiter als Baronin Galeotti, eine lebensfrohe Jungwitwe und Schwester des Grafen, der verschlagene Schlossverwalter Gennaro Malerba, den Patrick Ruyters mit großem mimischen und sängerischen Gestus verkörpert, oder der opportunistisch-devote Weingut-Pächter Giovanni Gioja, den Michael Hoffmann glaubhaft nachzuzeichnen versteht.
Der Star des Abends ist die südkoreanische Sopranistin Da-yung Cho, die die Rolle der frisch verheirateten, etwas zickigen Gräfin Fiorina Sanviti auf derart beeindruckende Art und Weise ausfüllt und stimmlich brilliert, dass das Publikum nicht umhinkann, dies mit schier großem Beifall und Bravo-Rufen zu honorieren. Nicht vergessen werden darf auch die herausragende technische und akustische Umsetzung der „Rosskur“, die das manchmal gewöhnungsbedürftige, weil nur unzureichend verständliche Erlebnis „Oper“ auch in Neuburg zum puren Vergnügen erhebt.
Da stehen sie also nun auf der Bühne, schweißgebadet und glücklich, bekommen locker Vorhänge, müssen sich immer wieder verbeugen, während im Graben die Musikerinnen und Musiker des Akademischen Orchesterverbandes München sitzen. Es hat sich gelohnt, an den Plänen für „Eine Rosskur“ festzuhalten, das bereits 2020 auf dem Spielplan stand, aber wegen des Lockdowns auf die lange Bank geschoben werden musste. Und einmal mehr hat Horst Vladar Recht behalten, wie so oft im 55-jährigen Dasein „seiner“ Kammeroper. Dieser Neuburger Instanz.
Reinhard Köchl in „NEUBURGER RUNSCHAU“ (21.07.2024)
Die Personenregie von Horst Vladar zeigt erneut, dass ein komödiantisches Werk des 19. Jahrhunderts auch ganz gut ohne Modernisierung auskommt.
Wenn man sieht, wie liebevoll mit relativ einfachen Mitteln die Bühne in Neuburg jedes Jahr wieder von Michele Lorenzini gestaltet wird und welchen Effekt allein das Bühnenbild erzielt, mag die Frage aufkommen, warum sich das deutsche Regie-Theater an zahlreichen Opernhäusern häufig für hässliche Modernisierungen entscheidet. Der Hof des Schlosses, in dem sich zunächst die Arbeiterinnen und Arbeiter versammeln, um vom strengen Verwalter Gennaro an ihre Pflichten erinnert zu werden, ist mit unverkleideten Bühnenwänden ausgestattet, die sogar die eine oder andere witzige Schmiererei aufweisen. Nach der Pause verwandelt sich die Bühne mit pittoresk gestalteten Wänden in das Zimmer der Baronin, die sich vor einem Spiegel die Zeit mit Modespielereien vertreibt. Auch die von der Kostümabteilung Lüneburg zur Verfügung gestellten Kostüme tragen ihren Teil zu einem Augenschmaus bei. Der Höhepunkt ist dann aber, dass das Zimmer noch in einen großen Saal verwandelt wird, wobei eine Wendeltreppe links und rechts in eine obere Etage führen. Hier gibt sich der Graf schließlich seiner Gattin zu erkennen.
Auch die Personenregie von Horst Vladar zeigt erneut, dass ein komödiantisches Werk des 19. Jahrhunderts auch ganz gut ohne Modernisierung auskommt, wenn man den Text und die Geschichte ernst nimmt. Der Spaß, den der Chor der Neuburger Kammeroper und die Solistinnen und Solisten auf der Bühne verbreiten, überträgt sich herrlich auf das Publikum. Wunderbar arrogant spielt Da-yung Cho die hochmütige junge Gräfin, die nach dem Radbruch ihrer Kutsche auf dem Schloss landet, und den Verwalter Gennaro und den Pächter Giovanni, die sich ihr gegenüber nicht angemessen verhalten, mit einer Mistgabel über die Bühne jagt. Umso heftiger zahlen es ihr die beiden heim, als sie glauben, dass der Graf nur ein mittelloser Arbeiter und Fiorina damit auch keine Gräfin ist. Auch hierbei ist Patrick Ruyters und Michael Hoffmann die Spielfreude regelrecht anzusehen. Karol Bettley gibt einen im Herzen sympathischen Grafen, dem man am Ende nicht böse sein kann, so dass auch nachvollziehbar bleibt, dass Fiorina ihrem Gatten verzeiht, und auch Martha Harreiter lässt sich mit großem Spielwitz als Baronin von ihrem Bruder in das Spiel einbeziehen.
Interessant ist auch Riccis Musik, die stellenweise sehr operettenhafte Züge trägt. So viel Walzerseligkeit kennt man eigentlich erst von Franz von Suppè und Johann Strauß. In anderen Momenten schillern wiederum Rossini und Donizetti durch. Ein musikalischer Höhepunkt ist das große Buffo-Duett von Gennaro und Giovanni kurz vor Ende der Oper, wenn sich die beiden ausmalen, welche Strafe ihnen beim Grafen nun dafür droht, dass sie die Gräfin schlecht behandelt und die Umarmung des Grafen mit seiner Schwester, der Baronin, missdeutet haben. Im Witz und in der Melodie kann diese Nummer es in jedem Punkt mit den großen Buffo-Duetten bei Rossini beispielsweise in La Cenerentola oder L’inganno felice oderDonizetti im Don Pasquale aufnehmen. Annette und Horst Vladar ist es auch gelungen, diesem Duett einen wunderbar fließenden deutschen Text zu unterlegen, der durch die lebhafte Interpretation von Hoffmann und Ruyters begeistert. Cho lässt mit strahlendem Sopran als Fiorina aufhorchen. Natürlich lässt es sich auch Horst Vladar nicht nehmen, mit großem Spielwitz in einer kleinen Partie aufzutreten, die seinem Namen als Chef der ganzen Produktion alle Ehre macht: Biagio Rumore Alois Rottenaicher führt die Mitglieder des Akademischen Orchesterverbandes München e. V. gewohnt souverän durch die Partitur, so dass es auch bei der Dernière wieder großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.
Thomas Molke bei http://www.omm.de/impress.htm