Der eifersüchtige Liebhaber (L’Amant jaloux – 1778)
(L’Amant jaloux – 1778)
von A. E. M. Grétry – Th. d’Hèle
Lopez de la Plata, ein Kaufmann
Horst Vladar
Leonore, Witwe, seine Tochter
Ursula Adamek
Isabella, deren Freundin
Ulla Schwingel
Susanne, Kammermädchen Leonores
Anna Alberty
Don Alonzo, Liebhaber Leonores und Bruder Isabellas
Wolfgang Mühlenbeck
Florival, ein französischer Offizier
Jean Simon
Musikalische Leitung
Georg Zettel
Inszenierung
Horst Vladar
Bühnenbild
Walter Heinemann
Musikalische Einstudierung
Hartmut Hudezeck
Produktionsassistenz
Annette Vladar
Orchester
Mitglieder des Akad. Orchesterverbandes München
1. Akt:
Der reiche Kaufmann Lopez ist von einer längeren Auslandsreise nach Cadix zurückgekehrt. Er befürchtet, daß seine verwitwete, aber noch junge Tochter Leonore wieder heiraten möchte. Möglichkeiten dazu gäbe es genug: Verbündetes französisches Militär lagert vor der Stadt, und die Offiziere wetteifern mit den einheimischen jungen Edelleuten um die Gunst der feinen und reichen Damen. Ein neuer Schwiegersohn könnte zu viel Kapital aus Lopez Geschäften abziehen und seine finanziellen Pläne stören. Lopez versucht die Kammerzofe Susanne über einen gewissen Don Alonzo auszuhorchen. Diese erwähnt geschickt, Alonzo sei wegen einer zu erwartenden Erbschaft verreist. Schnell will sie das Gespräch auf dessen Schwester Isabella, der besten Freundin Leonores, bringen und versucht das Bekanntschaftsverhältnis zu bagatellisieren. Der Kaufmann „riecht“ die List, dreht den Spieß um und verbietet weitere „Belästigungen“ seiner Tochter durch das Geschwisterpaar. Kaum hat sich Susanne von dieser Schlappe erholt, da kommt aufgelöst Isabella in Begleitung eines französischen Offiziers. Dieser habe sie vor den Häschern ihres Vormundes geret-tet, der sie mit dem Einverständnis ihres Bruders heiraten wolle und versuche, sein Ziel mit Zwang und Gewalt zu erreichen. Sie verspricht dem jungen Offizier Florival, der ihr nicht nur wegen seiner Tat gefällt, für den Abend ein Rendezvous, doch solle er sich jetzt wegen Lopez zurückziehen. Florival fragt Susanne, die er für Isabellas Dienerin hält, nach dem Namen ihrer Herrin und erfährt sie heiße Leonore!
Isabella bittet Leonore in ihrem Haus bleiben zu dürfen. Die Gespräche der beiden werden durch die unerwartete Ankunft Don Alonzos gestört. Aus Furcht vor dem ebenso sittenstrengen wie eifersüchtigen Bruder, versteckt sich Isabella im Kabinett. Die Nervosität Leonores genügt Alonzo ihr trotz seiner Liebe eine große Eifer-suchtsszene zu machen und dadurch ihren Vater herbeizurufen. Groß sind Reue und Überraschung, als statt eines Nebenbuhlers eine verschleierte Dame von Susanne weggeführt wird.
2. Akt:
Leonore hat Isabella im Gartenpavillon versteckt. Susanne versucht ihre Herrin mit Don Alonzo zu versöhnen und vereinbart für den Abend ein Stelldichein, doch der mißtrauische Lopez unterbindet zunächst weitere Aktivitäten Susannes. Florival erscheint und hält ihn für den Vater seiner Angebeteten. Durch das Gespräch mit ihm und Susannes Zeichensprache verwirrt, zieht er voreilig ab. Dabei begegnet er Alonzo, dessen Eifersucht sofort wieder erwacht. Leonore kann zunächst die Bedenken ihres Liebhabers zerstreuen — er gelobt Besserung — da ertönt auf der Straße Florivals Ständchen für Isabella. Schlimm, daß der Franzose glaubt, sie heiße Leonore!
3. Akt:
Isabella erwartet im Garten Florival. Sie traut ihrem Gefühl noch nicht ganz, da man im allgemeinen die Franzosen für flatterhaft hält. Er bemüht sich ihre Bedenken zu entkräften, als auch Don Alonzo zu seinem Rendezvous über die Gartenmauer steigt. Isabella versteckt sich unerkannt im Pavillon und Alonzo glaubt wieder Grund für seine Eifersucht gefunden zu haben. Die beiden Männer wollen sich duellieren, was von dem dazwischen tretenden Lopez verhindert wird. Auf sein Befragen er-klären beide, daß sie wegen ihrer Liebe zu Leonore hier seien. Alonzo verlangt wütend, sie solle aus ihrem Versteck kommen. Nun tritt Leonore aus dem Haus und Isabella kommt aus dem Pavillon. Vorwürfen folgt die Reue, der Reue das Verzeihen — so finden sich Leonore und Alonzo, Isabella und Florival. Susanne ist zufrieden mit ihrer gelungenen Vermittlertätigkeit und Lopez gibt, nachdem er von der Erbschaft Alonzos erfahren hat, seinen Segen.
A. E. M Grétry
1741 geboren am 11. Februar in Lüttich.
1760 Stipendium für ein Musikstudium in Rom (1760— 1766).
1765 erstes Bühnenwerk für das Teatro Aliberti in Rom: „La Vendemmiatrice“.
1766 verläßt Gretry Italien und geht als Musiklehrer und Gelegenheitskomponist nach Genf. Erste Bekanntschaft mit der französischen opera comique. Zusammentreffen mit W. A. Mozart.
1767 zieht er auf Anraten Voltaires nach Paris. Seine erste Oper für Paris wird ein Mißerfolg.
1768 „Le Huron“ wird der erste große Triumph an der Comedie Italienne. Von da ab erschienen jährlich 2—3 Opern Gretry’s auf der Bühne, die die Kassen des Theaters füllten.
1771 Eheschließung mit Jeanne-Marie Grandon (drei Töchter).
1778 „L’Amant jaloux“ — „Der eifersüchtige Liebhaber“ wird in Versailles uraufgeführt.
1784 „Richard Coeur-de-Lion“ — „Richard Löwenherz“ — sein bekanntestes Werk.
1795 nach dem Ende der französischen Revolution ist sein Stil nicht mehr gefragt, seine Werke geraten in Vergessenheit.
1797 er widmet sich der Literatur, es erscheinen Bände seiner Memoiren und verschiedene literarische und musikwissenschaftliche Werke. Gretry wird einer der ersten Ritter der Ehrenlegion.
1805 setzt man ihm bereits zu Lebzeiten ein Denkmal im Theätre de L’Opera-Comique. Er lebt zurückgezogen in Montmerency.
1813 am 24. September stirbt Grétry in Montmerency.
1828 erhält nach langen Prozessen seine Geburtsstadt Lüttich, auf Grétry’s letzten Wunsch, sein Herz zur würdigen Bestattung.
Thomas D’Hele, der Librettist
(1740?—1780)
Der Sohn aus einer gutsituierten englischen Familie — eigentlich Thomas Hales — wurde in Frankreich unter den Namen D’Hele, D’Hell oder Dell als Dramatiker be-kannt. Friedrich Melchior Baron von Grimm, der in Paris lebende Aufklärer aus Regensburg, war ein guter Bekannter von Hales. Er berichtete, daß der junge Hales in englischen, militärischen Diensten in Jamaika weilte und nach Reisen durch ganz Europa eine Zeit lang in der Schweiz und in Italien lebte. Gretry, mit dem er befreundet war, erzählt, Hales sei als Jüngling bei der englischen Marine gewesen und hätte sich dort durch Alkoholexzesse schwere gesundheitliche Schäden zugezogen. Um 1770 kam er nach Paris, wo er zunächst sein kleines Vermögen vergeudete. Es ist unbekannt, wie er die französische Sprache so meisterhaft erlernte, daß er sich als Schriftsteller einen Namen machen konnte. 1777 lernte Hales Gretry kennen. Die beiden wurden Freunde.
Die Pariser Gesellschaft teilte sich damals in Anhänger von Piccini und Gluck. D’Hele machte sich über diese ständigen Querelen in seinem Drei-Akter „Le Jugement de Midas“ lustig. Nach langem Zögern schrieb Gretry dazu die bezaubernde Musik. 27.6. 1778 im Privattheater des Herzogs von Orleans aufgeführt werden. Die Premiere war ein voller Erfolg und kurz darauf wurde das Stück in Versailles gespielt. Da D’Hele als geborener Engländer nicht in der Lage war einen französischen Vers richtig zu bauen, bediente er sich dafür der Mithilfe von Anseaume und Levasseur. Sinn für wirksame Bühnenkomik und dramatische Wahrscheinlichkeit waren seine Trümpfe. Seine Dialoge zeichnen sich durch außerordentliche Schlagkraft aus, sind konsequent in der Charakterzeichnung und der Humor seiner englischen Heimat wird sichtbar.
Dem Erfolg des „Midas“ folgte im gleichen Jahr „L’Amant jaloux“, eine Komödie voller Intrigen: lebhaft, humorvoll, mit pointierten Dialogen. „Das Stück kommt rein äußerlich in die Nähe von Mozart’s „Figaro“ (1786). Die Anlage des Textes ist so musikalisch, daß es sich bei der Mitarbeit eines mit so feinem Bühneninstinkt begabten Musikers wie Grétry schlechthin zu einem Meisterwerk kommen mußte“ (so Wichmann in „Grétry und das musikalische Theater in Frankreich“).
Im November 1778 war Premiere in Versailles, im Dezember wird das Stück in Paris gespielt. Außer der Vorliebe für den Alkohol hatte Hales nur noch eine große Leidenschaft: die Schauspielerin Mademoiselle Bianchi. Für sie gab er seine Dramatikerkarriere und seine Freunde auf. Aus Kummer über die Trennung von ihr starb er am 27. Dezember 1780 im Alter von nur 40 Jahren. Er ist ein bemerkenswertes Beispiel für einen Mann, der in einer fremden Sprache schreibend in einem außerordentlich schwierigen Fach der Literatur zu Erfolg kam. In England selbst blieb Hales weitgehend unbekannt.
Zwei Stunden ungetrübten Opernvergnügens bescherte die Aufführung des „Eifersüchtigen Liebhabers“ durch das Neuburger Ensemble, das Horst Vladar als Regisseur zu locker beschwingtem Spiel animierte, ohne dem Ablauf der Handlung Gewalt anzutun; als baßgewaltiger Darsteller des Kaufmanns Lopez — die Komödie spielt anno 1780 in der Stadt Cadix — war er der dominierende Mittelpunkt einer Geschichte, in der zwei Paare Freud und Leid der Liebe exerzieren: Ursula Adamek als koloraturgewandte Leonore, Ulla Schwingel als lyrisch betonte Isabella und als temperamentvolle Liebhaber die Tenöre Wolfgang Mühlenbeck (Don Alonzo) und Jean Simon (Florival). Als reizendes Soubrettentalent erwies sich die bewegliche, stimmlich hochbegabte Susanna von Anna Alberty. Walter Heinemann entwarf das in anmutigem Schwarzweiß gehaltene Bühnenbild eines gut bürgerlichen Wohnhauses aus dem spanischen Rokoko.
Im Orchestergraben musizierten wie immer die Mitglieder des Akademischen Orchesterverbandes München unter der temperamentvollen Führung von Georg Zettel, klanglich dezent in der Begleitung der Sänger und mit rhythmischem Elan in der Ouvertüre, in der zarte Holzbläserstimmen aufhorchen ließen. Das Publikum, das jede Arie mit Sonderbeifall bedachte, geizte auch nicht mit Dank und Anerkennung, als die Konflikte zum guten Ende gebracht worden’waren und der Vorhang über einer Aufführung fiel, die Neuburgs Kammeroper alle Ehre machte.
Dr. Karl Ganzer am 21. Juli 1980 in „Augsburger Allgemeine“ und „Neuburger Rundschau“
In den fast schwerelosen, mit leichten Strichen auf weißem Grund hingetupften Bühnenbildern (WALTER HEINEMANN), die die breite Farbskala der Kostüme besonders gut zur Geltung bringen, vollzieht sich ein charmantes, logisches, bis ins Kleinste durchdachtes Spiel um Liebe, Geld und Eifersucht. Kennzeichnend für das überdurchschnittliche Niveau des Textes ist schon die Rolle des aus finanziellen Gründen die Heiratspläne seiner Tochter untergrabenden Kaufmanns Lopez. HORST VLADAR brauchte hier nicht den üblichen übertölpelten Baß-Deppen zu mimen, sondern konnte eine eigenwillige, überlegene Charakter-Figur zeichnen. Mit Bravour beeindruckte URSULA ADAMEK als bewachte Leonore – nicht allein: in ihrer strapaziösen Koloratur-Arie. JEAN SIMON als liebenswürdig-eleganter Florival kontras-tierte wirkungsvoll zu dem cholerischen, aus chronischer Eifersucht in sturer Verblendung leidenden Alonzo, als der WOLFGANG MÜHLENBECK ein beachtliches Bühnen-Debüt gab. Durch jugendlichen Schmelz in Stimme und Spiel gefiel die Isabella von ULLA SCHWINGEL. Einen besonders anregenden Appetit-Happen voll prickelndem Reiz bot ANNA ALBERTY als wendige Zofe Susanne.