Die Insel Voluptia oder Die Frauen an der Macht
(Il mondo alla roversa – 1750)
von B. Galuppi – C. Goldoni
Tullia, die Listenreiche
Ulrike Joeris
Aurora, die Seidenweiche
Ursula T. Maxhofer
Hermia, die Eisenharte
Theresia Höller-Herzog
Rinaldo, der Gutgelaunte
Brigitte Wegenberger
Graziosino, der Schöngeistige
Elmar Goebel
Piacinto, der Liebreizende
Horst Vladar
Heer der Frauen
Heer der Männer
Chor der Neuburger Kammeroper
Musikalische Leitung
Rainer Baum
Inszenierung
Horst Vladar
Bühnenbild
Walter Heinemann
Korrepetition
Stefan Klingele
Choreinstudierung
Andreas Abspacher
Produktionsassistenz
Annette Vladar
Orchester
Mitglieder des Akad. Orchesterverbandes München
Auf der ‚‚antiken” Insel Voluptia haben die Frauen die Männer in der Herrschaft abgelöst. Ihre Anführerinnen Tullia, Aurora und Hermia nehmen eine Parade von Sklaven ab. Diese sind zu den Hausarbeiten eingeteilt, die früher von Frauen ausgeführt wurden. Die Frauen verheißen bei Fleiß und Gehorsam ein schönes, durch Liebe belohntes Leben. Unter einander sind sie sich allerdings nicht einig, wie man die Herrschaft auf Dauer behalten könne, mit Strenge oder eher mit Zärtlichkeit.
Aurora flirtet mit ihrem Lieblingssklaven Graziosino. Er ist mit seinem Schicksal sehr zufrieden, denn er glaubt sich ihrer Liebe sicher.
Hermias Vorzugssklave Piacinto klagt über die ‚‚Mutter Natur”, die ihn bei der Vergabe von Schönheit benachteiligt habe. Trotzdem glaubt er, der Liebling aller Frauen zu sein. Aber Hermia behandelt ihn von oben herab. Da bittet Piacinto, anderen Frauen den Hof machen zu dürfen. Als Hermia mit Härte reagiert, beklagt er
sein Los. Hermia betont Tullia gegenüber, daß Piacinto diese demütigende Behandlung brauche.
Tullia behandelt ihren Lieblingssklaven Rinaldino mit Vernunftsargumenten: Die Männer hätten es jetzt viel besser als früher die Frauen, da als Lohn wahre Liebe winke. Rinaldino ist davon überzeugt, daß er sich nicht mehr schämen müsse, aus Liebe Sklave zu sein. Hermia überrascht Aurora beim Flirten mit Piacinto. Die Frauen beginnen zu streiten. Piacinto weiß nicht, für wen er sich entscheiden soll. Hermia droht mit Schlägen, Aurora winkt mit Zärtlichkeit und hat Erfolg. Hermia
schwört Rache.
Im Senat beschwört Tullia die Frauen, Übertreibungen, Unbeständigkeit und Eifersüchteleien zu vermeiden, um den Staat nicht zu ruinieren. Doch frau wird sich nicht einig, und Tullia schlägt vor, eine Monarchin zu wählen. Jede Frau rechnet sich Chancen aus, und schon verhindert Eitelkeit einen positiven Wahlausgang.
Piacinto bittet Hermia um Verzeihung, die ihm mit Hintergedanken gewährt wird: nach einem voreiligen Schwur bekommt er einen Degen, um die anderen Frauen zu erstechen. Als Piacinto Aurora gegenüber steht, zeigt sich, daß Hermia seinen ‚‚Mut’ überschätzt hat. Er verrät die Anstifterin. — Aurora überredet nun ihren Graziosino, sie an Hermia durch deren Ermordung zu rächen.
Hermia bearbeitet Piacinto, wenigstens den Degen wieder herbeizuschaffen. Aurora schleppt Graziosino heran und versucht, ihn zum Todesstoß anzustacheln. Aber die Männer bleiben untätig, und die Frauen verlassen wutschnaubend den Kampfplatz. Rinaldino kommt und verkündet eine ihm von den Göttern übersandte Botschaft: ‚‚Traut nicht mehr den rivalisierenden Weibern, sondern nehmt selbst die Herrscherrolle wieder an’. Da Graziosino und Piacinto die Nase voll haben, sind
sie leicht auf den neuen Kurs einzuschwören. Der Machtwechsel steht kurz bevor.
Der Letzte ?!?
Baldassare Galuppi
wurde am 18. Oktober 1706 auf der Insel Burano bei Venedig als Sohn eines Friseurs, der im dortigen Theater Geige spielte, geboren. Sein Vater war auch sein erster Lehrer. Schon 1722 trat er zum ersten Mal als Komponist in Erscheinung, und zwar mit der Oper ‚‚La fede nell’incostanza, ossia Gli amici rivali”. Das Werk wurde aus-gepfiffen und veranlaßte Galuppi so zu einem ernsthaften Studium der Kompositionslehre. Er wurde Schüler von A. Lotti in Venedig. Zusammen mit einem Mitschüler brachte er dann zwei Opern heraus, die wohl erfolgreich waren, denn Galuppi komponierte weiter für die Theater in Venedig, bis zu fünf Opern in einer Spielzeit. 1741 ging er nach London, wo er eigene Werke dirigierte und auch eine Oper komponierte. Damals sagte Burney: ‚‚Galuppis Genie ist noch nicht gereift. Er kopiert den hasti-gen, leichtfertigen Stil, der jetzt in Italien herrscht und den die Engländer nicht mehr schätzen”. Die nächsten Opern wurden dann aber wesentlich freundlicher auf-genommen. Galuppi kehrte zwar schon 1743 nach Venedig zurück, seine Musik jedoch blieb in England noch lange populär. In der Tat meinte Burney später, daß Galuppi mehr Einfluß auf die englische Musik gehabt habe als jeder andere italienische Komponist.
1748 wurde Galuppi stellvertretender, 1762 Maestro di capella der San Marco Kathedrale in Venedig. 1749 begann seine äußerst erfolgreiche Karriere als Komponist komischer Opern. Für seinen Erstling auf diesem Gebiet, ‚L’Arcardia in Brenta”, verwendete er ein Libretto von Carlo Goldoni. Neben vielen komischen Opern nach Libretti anderer Textdichter waren mehr als 20 das Resultat dieser 16 Jahre währenden Zusammenarbeit, darunter auch „‚Die Insel Voluptia oder Die Frauen an der
Macht” unter dem Originaltitel ‚Il mondo alla roversa” (1750).
1766 wurde Galuppi von der Zarin Katharina II. nach St. Petersburg eingeladen. Dort wurde er Leiter der Hofsängerkapelle, führte seine Stücke auf, komponierte Kirchenmusik und eine neue Oper. Als er 1768 nach Venedig zurückkehrte, nahm er seinen Posten als Direktor des Konservatoriums wieder ein, zu dem er bereits 1762 ernannt worden war. Unter seiner Leitung wurde es zum berühmtesten Konservatorium der damaligen Zeit.
Am 3. Januar 1785 verstarb er in Venedig. Am 100. Todestag errichtete man für ihn, der schon Zeit seines Lebens nach seinem Geburtsort den Beinamen Il Buranello gehabt hatte, in Burano ein Denkmal.
Carlo Goldoni
war Venezianer, geboren am 25. Februar 1707 im Palazzo Cent’ani, der heute Casa Goldoni heißt und das Theatermuseum beherbergt. Sein Großvater konnte es sich noch leisten, in seiner Villa am Lido ein eigenes Theater einzurichten und dafür Schauspieler und Sänger zu engagieren. Sein Vater war zwar genauso vernarrt ins Theater, mußte aber als Arzt für den Unterhalt der Familie sorgen. Goldoni war zunächst Schüler in einer Dominikaner-Pension in Rimini, danach erhielt er, nach einem Intermezzo bei einer Schauspielertruppe, eine Freistelle in einem geistlichen Institut in Pavia, wo der gerade Sechzehnjährige beschloß, Italien ein „neues” Theater zu schenken. Allerdings flog er erst einmal von der Schule, weil er eine Satire auf die vornehmen Familien der Stadt schrieb. Als sein Vater starb, mußte er für die Familie sorgen; er wurde Sekretär, erwarb den juristischen Doktor, wurde Advokat und schrieb weiter Theaterstücke.
1748 wurde er als Hausdichter ans Teatro Sant’Angelo verpflichtet. Von 16 Komödien, die er 1750 für dieses Theater schrieb, waren sechs ohne die Maskenfiguren der Commedia dell’arte. Diese Stücke arbeitete Goldoni selbst mit den Darstellern, um diese an den neuen Stil zu gewöhnen. 1751 wechselte er zum Teatro San Luca. Hier erlebte er das erfolgreichste, aber auch das schwierigste Jahrzehnt seines Lebens: Sein Nachfolger im Teatro Sant’Angelo bekämpfte ihn bitter und mußte ihn, um Erfolg zu haben, doch imitieren. Der Direktor wollte gar verhindern, daß ihm die Rechte an der Gesamtausgabe seiner Komödien gehören sollten. So folgte Goldoni dann 1762 einem Ruf des französischen Königs, Ludwigs XV., nach Paris, wo er als Direktor den Zerfall der ‚‚Comedie italienne” aufhalten sollte, was ihm allerdings nicht einmal unter Selbstverleugnung und Wiederverwendung der Commedia dell’arte Figuren gelang. Er übernahm das Amt des Sprachlehrers und Vorlesers der königlichen Prinzessinnen. Einmal noch hatte er einen großen Erfolg mit der in französischer Sprache geschriebenen Komödie ‚‚Le Bourru bienfaisant” (Der wohltätige Griesgram). 1787 beendete er seine ebenfalls in französischer Sprache geschriebenen Memoiren, von denen Königin Marie Antoinette 25 Exemplare subskribierte. 1789 verlor er durch die französische Revolution seine Pension; er verarmte und erblindete. Erst in seinem Todesjahr 1793 gewährte ihm die National-versammlung wieder seine Jahresrente.
„Vladars Inszenierung wußte mit kabarettistischen Akzenten zahlreiche Pointen zu setzen. – Ein glücklicher szenischer Umgang mit einem nahezu zweieinhalb Jahrhunderte alten Werk – angelegt etwa in der Mitte zwischen Texttreue und (zulässigem) freien Schaffen.“
(Opernwelt X/89)
„Elegant und locker fließende Musik.“
(Schwäbische Neue Presse, Augsburg, 28.7.89)