Die beiden Figaro (1840)
von Conradin Kreutzer –
G. Fr. Treitschke nach J. Fr. Jünger und H.-A. Martelly
Gräfin Almaviva
Anitra Jellema
Ines, ihre Tochter
Susanne Seefing
Susanna, ihre Kammerfrau
Ulrike J. Jöris
Graf Almaviva
John Sweeney
Figaro, sein Kammerdiener
Michael Hoffmann
Don Cherubino
Don Alvaro
Plagios, Opernkomponist
Pompos, Theaterdichter
Hartmut Kühn
Patrick Busert
Elmar Goebel
Horst Vladar
Chor der Neuburger Kammeroper.
Musikalische Leitung
Alois Rottenaicher
Inszenierung
Horst Vladar
Bühnenbild
Ulrich Hüstebeck
Korrepetition
Dietmar Schlabertz
Choreinstudierung
Norbert Stork
Produktionsassistenz
Annette Vladar
Mitglieder des Orchesters des Akademischen Orchesterverbandes München
1. Akt: Die Oper ist eine Fortsetzung von Mozart’s „Die Hochzeit des Figaro“, doch liegt zwischen beiden Handlungen ein größerer Zeitraum. Figaro, der nach kurzen Flitterwochen bereits von seiner Ehe genug hatte, konnte den ebenfalls unzufrie-denen Grafen Almaviva dazu bewegen, sich mehrere Jahre weit entfernt von den Gattinnen aufzuhalten. Die hatte man auf ein entlegenes Schloß „verbannt„. Um seinen Einfluß auf den Grafen nicht zu verlieren, will er ihm gegen eine saftige Provision seinen Kumpan Don Alvaro als Schwiegersohn in die Hände spielen. Der Graf ist von Don Alvaro entzückt, zumal er nicht weiß, daß dieser außer seiner Ahnenreihe nichts besitzt. Die Dienerschaft bereitet der heimkehrenden Gräfin einen herzlichen Empfang. Almaviva stößt mit seinem Verheiratungs-Plan auf den Widerstand seiner Tochter Ines und der Gräfin. Während Susanne sofort ihren Mann als Drahtzieher vermutet und sich auf die Seite der Frauen schlägt, setzt Figaro Don Alvaro vor dem Grafen herab. Er weiß genau, daß dann der Graf den Geschmähten erst recht begünstigen wird. Neben seinen intriganten Aktivitäten findet er sogar noch Zeit für die ihm von Basilio geschickten Theater-autoren Plagios und Pompos, die ihn um das Sujet für eine Oper bitten. Er gibt ihnen das von ihm entworfene Komplott als Stückvorlage.
2. Akt: Don Cherubino – bekanntlich beim Grafen in Ungnade gefallen – hatte den Kontakt zur Gräfin nie aufgegeben, sich dabei in Ines verliebt und ihr geschworen, sie auch diesmal zu beschützen. Dabei darf er auf Susannes Hilfe rechnen, die den gräflichen Frauen rät, dem Grafen mit der Formel „Ich will nicht“ entgegenzutreten. Cherubino tritt – von den Männern nicht erkannt – als ein von Cherubino empfohlener Diener auf. Da er das Können Figaros bewun-dere, nenne er sich ebenfalls „Figaro“, erklärt er zum allgemeinen Staunen. Der Graf nimmt den Eifrigen sofort in seinen Dienst.
Figaro beobachtet eine vertrauliche Zusammenkunft der Frauen mit seinem Doppelgänger und holt den Grafen, um den Unbekannten als Spitzbuben zu entlarven. Cherubino aber hat die Lauscher bemerkt, spricht vom Grafen nur in den höchsten Tönen und macht Susanne Vorwürfe, weil sie so renitent sei. Zum Ärger Figaros belohnt der Graf den neuen treuen Diener.
3, Akt: Die Gräfin trauert der glücklicheren Vergangenheit nach. Nun will sie nur noch für das Wohl ihres Kindes leben. Susanne bringt sie und Ines auf fröhlichere Gedanken, als sie berichtet, daß alles nach Plan laufe. Zur Verwunderung des Grafen sind die Frauen plötzlich sehr gelassen.
Der Komponist Plagios erhält vom verunsicherten Figaro den neuesten Hand-lungsstand für das Opernprojekt. Plagios meint, es wäre doch eine schöne Zuspitzung, wenn sich der Doppelgänger als heimlicher, adeliger Verehrer ent-puppen würde. Figaro erkennt elektrisiert, daß das die Lösung des Rätsels sein müsse. Er will den Grafen sofort aufklären, doch Figaro II war schneller. Er wird vom Grafen und Don Alvaro als Übeltäter vorgeführt, der gestanden habe, sich wegen einer Frau eingeschlichen zu haben – wegen Figaros Susanne! Figaro müsse ihm verzeihen, da der Schelm seine Untat bereue!
4. Akt: Der Park wird für die bevorstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten geschmückt und erleuchtet. Susanne ist traurig. Erinnert sie doch alles an ihre Hochzeit. Heute sind ihre Gefühle für Figaro kalt. Den bekümmert das nicht. Für ihn geht es um des Grafen Geld.
Die Opernautoren wollen von Figaro noch einen wirkungsvollen Schluß. Sie treffen ihn aber nicht, und so will Pompos warten. Der Graf hält ihn für den Notar. Pompos, der den Zusammenhang nicht kennt, erzählt dem staunenden Grafen und Don Alvaro deren eigene Geschichte als Handlung, die ihm Figaro gegeben habe. Diesem, vom empörten Graf zur Rede gestellt, gelingt es fast noch sich herauszuwinden. Da erscheint Don Cherubino als Offizier, und der Schwin-del fliegt auf. Der Graf verweist Don Alvaro und Figaro des Hauses und gibt Ines dem Cherubino zur Frau.
Die Opernautoren sind glücklich über den tollen Schluß ihres Werkes, das sie dem Grafen widmen.
Conradin Kreutzer – sein Werk
Kreutzers musikgeschichtliche Bedeutung liegt im Kunstlied und in der Oper. In
den Melodien Kreutzers wird die Ritter- und Sagenwelt Uhlands erst zum wirkli-
chen Volksgut des 19. Jhd. Die zeitgenössische Kritik urteilte über Kreutzers
Uhlandlieder: „So findet sich hier Text und Musik wahrhaft zu einem Stück ver-
bunden, als wären sie zugleich auch einem Geist entsprungen.“ Den „biedermei-
erlichen“ Charakter von Kreutzers Kompositionen trifft man in vielen seiner Werke, doch zeigt dieser liebenswerte und reine Vertreter des musikalischen Biedermeier in seinen besten Werken durchaus Originalität. Leider hat sich von seinen Werken nur wenig bis heute gehalten. Noch vor wenigen Jahren war in guter Nachbarschaft zu Weber, Nicolai und Lortzing wenigstens „Das Nachtlager von Granada“ den Opernfreunden bekannt („Schon die Abendglocken klangen“, „Ein Schütz bin ich“). Heute hört man fast nur noch gelegentlich das „Hobellied“ aus der Musik zu Raimunds „Der Verschwender“, einige Kammermusik-Werke und bei traurigen Anlässen Uhlands „Ich hatt’ einen Kameraden“. !
Die Väter des Librettos
Honor&-Antoine Richaud-Martelly – der Schöpfer
wurde am 27.10.1751 in Aix geboren. Er stammte aus einer Adelsfamilie. Sein
Großvater hatte wegen seiner Verdienste als Arzt bei einer Pestepidemie in Mar-
seille den Adelsbrief erhalten. Martelly studierte bei den Jesuiten in Aix, sollte
dem Orden beitreten, zog es aber vor, als Rechtsanwalt beim Parlament der Pro-
vence zu arbeiten.
Mit 23 Jahren debütierte er im Theater von Marseille mit einer Tragödie, genau
an dem Tag, an dem er seinen ersten Prozeß gewann. Obwohl Theaterarbeit
damals für eine Standesperson noch als unziemlich galt, wurde er nicht von der
Anwaltsliste gestrichen. Allerdings folgte er wenig später seiner Neigung, ging
ganz zum Theater und trat als Schauspieler in Lyon, Bordeaux, Marseille, Tou-
louse, sogar bei Hof in Versailles, aber nur einmal in Paris auf. Sein Leben lang
genoß er in der Provinz einen großen Ruf als Darsteller vor allem in der Tra-
gödie. Er hatte Wärme, Seele und eine gute Aussprache. In Paris meinte man
allerdings, daß sein Esprit und seine Grazie nicht ganz zum ganz Großen seines
Faches reiche.
Als Dichter hat er nicht den Ruf erreicht wie als Schauspieler, doch nahm man
1823 immerhin sein „Les deux Figaro“, mit dem er 1794 in Paris (Theätre-
Frangais) debütierte, in die Sammlung „Repertoire du Theätre Frangais“ auf. Im
Vorwort dazu lobt man sein feines Bühnengefühl, das Gespür für „komisches
Chaos“, die Wärme des Gefühls und die Lebendigkeit seiner Dialoge. Er schrieb
noch weitere Komödien (u. a. L’Intrigant dupe par lui-m&me, Le Maladroit, Les
Amours supposes) und gab 1788 in Bordeaux einen Band mit Fabeln heraus. Im
genannten Vorwort heißt es weiter: „Er war äußerst aufrichtig, von reinen Sitten
und hielt sich von seinen Kameraden (gemeint sind wohl Schauspielkollegen)
fern. Seine Art zu leben war distinguiert, sein Charakter umgänglich. Ein Streit
mit Beaumarchais führte zu seinen „Deux Figaro“, die natürlich auch gegen die
berühmte „Hochzeit des Figaro“ gerichtet sind.“
Zuletzt lebte er zurückgezogen in einem Landhaus bei Marseille, wo er auch am
11. Juli 1817 starb.
Johann Friedrich Jünger – der Übersetzer und Bearbeiter
wurde am 25.2.1759 als Sohn eines Kaufmanns geboren. Nach juridischen Stu-
dien lebte er einige Zeit mit Fr. von Schiller auf dem Landgut Göschens, ging
aber 1787 nach Wien, wo er Prinzenerzieher wurde. Von 1789 bis 1794 war er in
Wien Dramaturg und Hoftheaterdichter. In seinen Romanen und Bühnenwerken
übt er aufklärende Gesellschaftskritik durch scharfe Satire. Einige seiner Romane: Huldrich Wurmsamen von Wurmfeld (1781-1787); Der Schein betrügt (1787-1792); Prinz Amaranth mit der großen Nase (1799). In fünf Bänden gab er von 1785 bis 1797 eine Reihe von Lustspielen heraus, unter denen einige nur aus dem Französischen von ihm übersetzt waren, so auch „Die beiden Figaro“, In seinen letzten Jahren war er von einem starken Gemütsleiden befallen. Er starb am 25.2.1797 in Wien.
So amüsant, gewitzt und kunstvoll gespiegelt sich der Operntext von Georg Friedrich Treitschke in der kongenialen Reanimation von Anette und Horst Vladar präsentierte, so spielfreudig, temporeich und intensiv wurde die Geschichte vom trefflichen Ensemble der Neuburger Kammeroper unter Horst Vladars Regie auf die Bühne gebracht. Allerdings stand die Premiere unter einem ungünstigen Stern. Gleich drei Protagonisten waren krankheitsbedingt nicht oder kaum bei Stimme und mußten sich mit dem Sprechen angenähertem Gesang behelfen, um die Aufführung nicht platzen zu lassen. Michael Hoffmann als Figaro und Patrick Busert als Don Alvaro sowie Ulrike Jöris als Susanna glichen die stimmlichen Handikaps mit bewundernswertem darstellerischem Einsatz aus, so daß man sich trotz dieser enormen Beeinträchtigungen bestens unterhalten fühlte. Anitra Jellema war eine ausdrucksstarke und eindrucksvolle Gräfin, Susanne Seefing gab die Tochter mit Charme und ordentlicher Gesangsleistung, und John Sweeney zeigte sich als Graf, der über den Dingen steht. Einige köstliche komödiantische Intermezzos waren für Elmar Goebel und Horst Vladar reserviert, die als Opernkomponist „Plagios“ und Theaterdichter „Pompos“ brillierten.
Einen wesentlichen Beitrag zur vorzüglichen Jubiläumsproduktion steuerten Ulrich Hüstebeck mit seiner schlichten und stimmig-funktionalen Bühnengestaltung bei, und Dirigent Alois Rottenaicher konnte mit den Mitgliedern des Akademischen Orchesterverbandes München Kreutzers vielgestaltige Partitur elanvoll und feinsinnig ausleuchten. Nicht vergessen darf man die Chorauftritte der Neuburger Sänger, die den blendenden Eindruck der Kammeroper abrundeten.
Heinz Zettel im Donaukurier (Ingolstadt) am 29.7.98
Wie die meisten Werke dieses fruchtbaren Komponisten – Das Nachtlager in Granada ist eine Ausnahme – erlebten Die beiden Figaro nur wenige Vorstellungen, und es kostete den unermüdlichen Forscher Horst Vladar viel Arbeit, eine dienliche Version für die jährliche Produktion der NEUBURGER KAMMEROPER im vergangenen Sommer herzustellen. Die gesprochenen Dialoge des Librettos blieben ganz verschwunden und mußten nach den Original-Texten der Schauspiele rekonstruiert werden. Kreutzer’s geniale Partitur, die ich am 31. Juli kennen lernte, ist ein Hinweis darauf, daß seine Arbeiten sehr wohl wert sind, weiter untersucht zu werden – Wexford notieren Sie bitte! Die Musik von Die beiden Figaro mag für ihre Zeit rückwärts-gewandt erscheinen – ein ausführliches Zitat von ‘Non più andrai’ fällt nicht aus dem Rahmen – und einige der Sololieder sind unleugbar schlicht, aber die Ensembles sind durchweg hinreißend, und der Komponist ist besonders in den komischen Nummern zu Hause. Die Stimmung hellt sich jedes Mal fühlbar auf, wenn die komischen Opern-Autoren Pompos und Plagios, wie Rossini’s Prosdocimo, auf der Suche nach Material für ihr nächstes Werk den Fortgang der Handlung unterbrechen. Diese beiden Komiker werden lustvoll gespielt von Horst Vladar und Elmar Goebel, die in gewissem Sinn die Schau stahlen. Es gab ein attraktives Damen-Trio: Anitra Jellema (Gräfin), Susanne Seefing (Ines) und Ulrike Jöris (Susanna); letztere brachte für die wenigen Koloratur-Passagen der Oper beeindruckende Beweglichkeit mit. Der Figaro, Michael Hoffmann, wurde als
indisponiert angesagt und ließ seine Arie aus, aber er artikulierte deutlich und war ein temperamentvoller Darsteller. Hartmut Kühn kam als Cherubin mit kernigem Tenor gut zur Geltung, doch der Graf des Amerikaners John Sweeney, der seine Kollegen physisch überragte, war spielerisch unsicher, und das Publikum neigte bei seinen Versuchen, großartig zu wirken, zum Lachen (Anm. der Übers.: Diese Wirkung war beabsichtigt.). Die Produktion des Multitalents Horst Vladar war einwandfrei loyal zum Werk, dem auch Ulrich Hüstebeck’s Dekor mit Cupidos und Schwänen diente. Alois Rottenaicher führte das Orchester zu aufregenden Höhepunkten, wobei einzig einige exponierte Streicher-Passagen daran erinnerten, daß es nicht vollprofessionell ist. Ein lohnender Abend.