Das Spiel von Liebe und Zufall (Le due burle – 1812)
(Le due burle – 1812)
von Johann Joseph Rösler –
… Antoni nach Pierre Chamblain de Marivaux
Orgonte, ein Edelmann
Horst Vladar
Mario, sein Sohn
Hartmut Kühn
Silvia, seine Tochter
Ulrike J. Jöris
Lisette, deren Dienerin
Maria Tselegidis
Dorante, ein junger Edelmann
Matthias Heubusch
Scapino, sein Diener
Michael Hoffmann
Musikalische Leitung
Alois Rottenaicher
Inszenierung
Horst Vladar
Bühnenbild
Ulrich Hüstebeck
Korrepetiton, musikal. Assistenz
Markus Baisch
Produktionsassistenz
Annette Vladar
1. AKT: Silvia soll nach dem Wunsch ihres Vaters den Sohn seines Jugendfreundes, Dorante, heiraten. Das junge Mädchen zögert, da es ihren Bräutigam noch nie gesehen hat. Mario, ihr Bruder, macht sich darüber lustig, doch Orgonte ist gerne bereit, Silvias Bedingungen zu erfüllen. Das Mädchen will mit ihrer Kammerjungfer die Rollen und Kleidung tauschen, um auf diese Weise ihren künftigen Ehemann kennenzulernen. Auch Dorante, der nichts von Silvia weiß, hat dieselbe Idee, sein Diener Scapino macht gerne mit. Kaum haben sich Dorante und Silvia gesehen mögen sie sich schon, haben aber wegen der ver-
meintlichen Standesunterschiede Bedenken. Genau so ergeht es dem Dienerpaar. Orgonte und Mario, die alles miterleben und in Szene gesetzt haben, amüsieren sich.
2. AKT: Nach allerlei Verwicklungen, gegenseitigen Vorbehalten und Zweifeln faßt Scapino sich ein Herz und macht Lisette einen Heiratsantrag, beide schwören sich Liebe und Treue. Dorante, dem Lisette eigentlich gar nicht gefallen hat, wird jetzt auf einmal eifersüchtig und beschließt, abzureisen. Doch vorher wolle er noch, so läßt er wissen, am Abend im Park ein Geheimnis aufdecken. Danach weiß Lisette endlich, dass ihr Bräutigam kein Mann von Stand ist und zeigt sich ein wenig enttäuscht. Silvia, die den vermeintlichen Diener liebt, hat dies schon
vorher Orgonte und Mario gestanden, die ihr jetzt ebenfalls die Situation erklären. Dorante, der glaubt, sich noch immer nicht über die Standesunter-schiede hinwegsetzen zu können, weiß nicht, was er tun soll. Dies ändert
sich schnell, als er erfährt, dass Silvia sich von ihm trennen will, er macht seiner Geliebten einen Antrag. Alles klärt sich nun auf; man stellt erfreut fest, dass Liebe jedes Hindernis überwinden kann.
Johann Joseph Rösler
Der auch in der Fachwelt fast unbekannte Johann Joseph Rösler wurde am 22. August 1771 in Schemnitz (heute Banská Štiavnica) in der Slowakei, die damals zu Ungarn gehörte, geboren. Mit seinen Eltern – der Vater war Königl. Bergrat, später Gubernialrat – kam er nach Prag, besuchte dort das Gymnasium und studierte Philosophie. Ersten musikalischen Unterricht erhielt er von seinem Vater, der aber die Musik nur als Liebhaberei betrieb. Der junge Rösler wandte sich dann ohne Unterstützung, gegen den elterlichen Willen ganz der Musik zu, zu der er „von frühester Jugend an durch einen unwiderstehlichen Drang fortgerissen wurde“. Da er sich keine Lehrerleisten konnte, ersetzte er diesen Mangel durch fleißiges Studium der Partituren großer Meister, vor allem Joh. Seb. und Ph. Em. Bachs.
Es wird berichtet, daß er sich als Klavierspieler „durch besondere Anmut und Fertigkeit“ auszeichnete. So wurde er 1795 „Klaviermeister“ am Prager Ständi-schen Theater. Diese Stelle soll er aber aus Unzufriedenheit über den italieni-schen Opernpächter Guardesoni bald wieder aufgegeben haben. Ob er 1805 eine Kapellmeisterstelle am Wiener Hoftheater erhielt, ist wie vieles aus Röslers Leben nicht geklärt. Auf jeden Fall wurde er im Jahr 1807 Kapellmeister seines groß-mütigen Mäzens, des Fürsten Franz Joseph Maximilian Lobkowitz, dessen Haus ein wahrer Sammelplatz von Künstlern war. Mit dem Fürsten war Rösler regel-mäßig in Wien, Prag und Raudnitz. In der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ (Leipzig) wird in den Jahren1799-1815 stets über Rösler als Prager Lokalgröße berichtet.
Im Jahr 1810 erkrankte Rösler auf einer Reise nach dem Schloß des Fürsten in Raudnitz (nördl. von Prag) ernstlich, erlitt auf einer zweiten Reise nach Böhmen einen Blutsturz, so daß er seinem Fürsten nicht bis Prag folgen konnte. Trotz ärztlicher Kunst und sorgsamer Pflege durch seine Freunde und Gönner, unter denen sich das gräfliche Haus Kunitz besonders hervortat, starb er bald darauf, am 29, Januar 1813, in Prag. Sein Tod wurde allgemein bedauert: „Sein moralischer Charakter war so bewundernswürdig wie seine Talente.“
Sein Werk
Obwohl Rösler nur 41 Jahre alt wurde, ist es erstaunlich, wieviel er auf fast allen Gebieten der Musik geschaffen hat. Seine Werke, die zu seinen Lebzeiten geliebt und geschätzt wurden und von denen auch welche im Druck erschienen, sind heute über viele Bibliotheken verstreut. Zudem gibt es über Rösler keine ausführliche Arbeit, so daß es schwer ist, seine Arbeiten zu beurteilen. Wie schon die „Allgemeine Musikalische Zeitung“ (Leipzig) beklagt, war Rösler ein Mann, „der bis jetzt sich mehr zurückgezogen als bekannt gemacht hat“.
In Prag „erregte er den Enthusiasmus der Böhmen als erster böhmischer Opern-komponist“ mit der Oper „Elisene“, die am Prager Nationaltheateram 18.10.1807 uraufgeführt und später auch in Wien gegeben wurde. Sein Stil ist typisch für die Zeit zwischen Klassik und Romantik und stark von Beethoven beeinflußt. Darauf ist wohl die falsche Einordnung eines Satzes aus einem seiner Klavierkonzerte in die Beethoven-Gesamtausgabe zurückzuführen. Die neuerdings auf einer CD eingespielten drei Streichquartette erinnern aber eher an Haydn und Mozart. Mozarts Opern dürfte er als Kapellmeister in Prag gründlich kennengelernt haben.
„Das Spiel von Liebe und Zufall“ läßt mit seinen ausdrucksvollen Themen und in deren Durchführung manchmal an Mozart denken, doch wäre es falsch, ihn als Nachahmer zu bezeichnen. Bei allen Komponisten dieser Zeit finden sich Stellen, die den Zeitausdruck in ähnlicher Weise widergeben, und die Musik Röslers klingt sehr ursprünglich. Er beherrscht die Form und macht sie für den Hörer verständlich. In der „Encyclopädie der ges. musikalischen Wissenschaften“ (Stuttgart 1838) heißt es: „…. der ein wahrhaft genialer Künstler war, wie die innere Leichtigkeit und der gefällige, anschmie-ende Stil seiner Werke beweist.“
Im Laufe seines kurzen Lebens schrieb er 11 Opern, von denen die meisten in Prag uraufgeführt wurden, 4 Kantaten (darunter eine auf Mozarts Tod), 2 Messen, viele Arien, Duette und Terzette als Einlagen in fremde Opern, an die 30 Lieder, 4 Symphonien, 8 Konzerte, mehrere Werke für Kammermusik, 6 Sonaten für Klavier und Violine und etliche Werke für Klaviersolo.
Pierre Chamblain de Marivaux
Sein Leben
Von Marivaux’ Leben haben sich nur wenig Angaben erhalten. Wie bei vielen anderen Künstlern bleibt es gleichsam spurlos verschwunden. Oft vermuten wir in solcher Verborgenheit ein Geheimnis. Marivaux’ Anonymität ist aber nur die des Alltags. Was er tat und litt, flocht sich ganz in den Tages- und Jahresablauf seines Zeitalters ein. Am 4. Februar 1688 wurde er in Paris als Sohn eines Münzdirektors geborenen; er verbrachte seine Jugend in Riom und Limoges. Auf dem College hatte er Latein gelernt und dann Jurisprudenz studiert. Mit achtzehn schrieb er auf Grund einer Wette einen Einakter. Vor allem aber litt Marivaux um diese Zeit an seinem ersten Frauenerlebnis. Vieles in seinem Werk, vor allem sein
Frauenbild, ist auf die schwere Enttäuschung zurückzuführen: Der Siebzehn-jährige liebte ein junges Mädchen abgöttisch; sie schien ihm in ihrem natürlichen Liebreiz geradezu als Verkörperung der Lebensformen, nach denen er sich sehnte.
Als er unfreiwillig Zeuge wurde, wie die Angebetete vor dem Spiegel ihr Mienen-spiel auf Wirkungen prüfte, war er mit einem Schlag ernüchtert und nahm tief verletzt auf immer von ihr Abschied. Marivaux kam 1712 nach Paris zurück und fand in verschiedenen Salons, in denen sich die Intellektuellen tummelten, Anschluß an die Avantgarde.
Von 1720 bis 1740 entstanden etwa dreißig Lustspiele. Knapp nach seiner
Verehelichung 1721 (andere Quellen sagen 1717) ließ er sich auf Geld-
spekulationen ein und verlor beim bald danach folgenden Finanzkrach sein
Vermögen. Hatte er bisher nur zu seinem Vergnügen geschrieben, wurde er
nun Schriftsteller aus Not. Mit dem frühen Tod seiner jungen Frau (1723)
brach ihm eine ganze Welt zusammen. Vor der trostlosen Einsamkeit
flüchtete er neuerlich in die Salons, wo er die Menschen in ihren äußeren und inneren Wandlungen und Versteckspielen beobachtete. Seine Erkenntnisse benutzte er für seine Werke, mit denen er trotz Anfeindungen Triumpfe feierte. 1742 wurde er Mitglied der Acad&mie Frangaise. Er starb am 12. Februar 1763 in Paris.
Mit der komischen Oper „Das Spiel von Liebe und Zufall“ hat Horst Vladar in den Archiven der Sächsischen Landesbibliothek Dresden eine echte Entdeckung gemacht, deren Umsetzung auf der Bühne des Neuburger Theaters hervorragend gelungen ist. Die von dem gänzlich unbekannten Komponisten Johann Joseph Rösler nach dem Textbuch eines Antoni, der eine Komödie von Marivaux aufgreift, um 1807 verfaßte zweiaktige Oper garantiert in der vorzüglichen Bearbeitung und Einrichtung von Annette und Horst Vladar einen mitreißenden Opernabend, bei dem einfach alles stimmt. Die Musik Röslers, die in vielem an Mozart und Haydn erinnert, hat zupackenden Schwung, melodischen Charme und gestaltet mit einer abwechslungsreichen Instrumentierung eine Vielzahl hochkarätiger Ensembles, die alle bis hin zu den großangelegten. Finalsextetten beeindruckend sicher gearbeitet und fein ausgewogen sind.
So ausgezeichnet und eindringlich die musikalische Seite der Aufführung sich ausnimmt, so witzig und unterhaltsam gibt sich auch das Textbuch. — Horst Vladars Inszenierung besticht durch stringente Präzision und spannende Präsenz, setzt auf die pfiffigen Zwischentexte, die weder gekünstelt sind noch langatmig den musikalischen Fluß und das Geschehen unterbrechen, sondern sich exzellent einpassen und ein enormes Tempo zulassen und fördern. Ein weiterer Glücksfall ist das spielfreudige, stimmlich sehr überzeugende und geschlossen agierende Ensemble. Horst Vladar und Mario Kühn geben souverän Vater und Sohn, die mit viel (Schaden-)Freude das Verwirrspiel beobachten. Das Quartett der Liebenden ist ebenfalls bestens besetzt: Ulrike Jöris und Maria Tselegidis singen und spielen herzerfrischend temperamentvoll und mit viel Ausstrahlung, Michael Hoffmann als zum Herren mutierter Diener ist ein komödiantischer Schelm ersten Ranges, und Matthias Heubusch hält sich zwar darstellerisch ein wenig zurück, bietet dafür aber sängerisch eine sehr bemerkenswerte Vorstellung.
Das einfach strukturierte, vielseitig als Empfangshalle, Hausfassade oder Garten verwendbare Bühnenbild von Ulrich Hüstebeck fügt sich hervorragend in das exakt austarierte Gesamtkonzept ein. Nicht zuletzt trägt auch Dirigent Alois Rottenaicher mit dem Akademischen Orchesterverband München durch die ausdrucksstarke und beseelte musikalische Interpretation dazu bei, daß die Neuburger Kammeroper das reine Vergnügen ist, was auch der begeisterte Applaus des Publikums bei der
Premiere bestätigte.