Die Dorfsängerinnen (Le cantatrici villane – 1799)

(Le cantatrici villane – 1799)

von V. Fioravanti – G. Palomba

Rosa, Witwe

Rita Herrmann

Agata, Wirtin

Almuth Dietze

Gianetta, Magd

Kaye Krafft

Carlino, Soldat

Klaus Feyerabend

Bucefalo, Kapellmeister

Horst Vladar

Don Marco, Sänger

Ulrich Dünnebach

Dorfpolizist

Heinrich Wladarsch

Sein Lehrling

Manfred Basel

Musikalische Leitung

Georg Zettel

Inszenierung

Horst Vladar

Bühnenbild

Ernst Schöberl und Heinrich Wladarsch

Produktionsassistenz

Annette Vladar

Orchester

Mitglieder des Akad. Orchesterverbandes München

Gesamtleitung

Anton Sprenzel/Horst Vladar/Heinrich Wladarsch

Die Handlung spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf einem Dorfe.

Der verkrachte Komponist und Gesangslehrer Bucefalo hört auf der Suche nach neuen Begabungen in einem Dorf drei junge Frauen, Rosa, Agata und Gianetta, bei einem improvisierten Liedchen. Er ist von den Naturstimmen begeistert und verspricht den Dorfschönen eine große Zukunft als Opernsängerinnen, falls sie sich unter seine Obhut begäben. Dabei hat er vor allem seinen finanziellen Erfolg und die hübsche Rosa, eine junge Witwe, im Auge. Zufällig trifft er in dem Dorf auf seinen ehemaligen Kompagnon Don Marco, einen verkommenen Sänger und Theaterdirektor, der hier eine reiche Erbschaft angetreten hat. Sofort ist dieser bereit, zusammen mit Bucefalo ein neues Theaterunternehmen zu gründen. Auch er ist in Rosa vernarrt. Störend tritt einstweilen nur der Soldat Carlino auf, der die beiden Alten über die Geschehnisse im Dorfe examiniert und ebenfalls lebhaftes Interesse an Rosa zeigt. Agata und Gianetta haben die Vorliebe Bucefalos für Rosa längst bemerkt und wachen eifersüchtig darüber, daß sie bei der » Ausbildung« nicht zu kurz kommen. Als die 3 Liebhaber nacheinander zu einem Stelldichein bei Rosa erscheinen und die enttäuschten Konkurrentinnen das bemerken, kommt es zu einem Tumult, bei dem es Don Marco und Bucefalo nur mühsam gelingt, das Opernunternehmen zu retten.

In einer Scheune warten die sich um die Rangfolge streitenden Sängerinnen und die bestellten Musiker auf ihren Direktor und den Kapellmeister. Bucefalo probt die Ouvertüre, die Sängerinnen gehen sich verkleiden. Wieder erscheint störend der ominöse Carlino und zwingt Bucefalo zu einem Duell, dem dieser nur knapp entkommen kann. Endlich kann die Probe weitergehen. Mit dem Können der drei neugebackenen Künstlerinnen ist es allerdings noch schlecht bestellt. Carlino überfällt mit Kameraden die Scheune. Aus dieser mißlichen Lage wird die Künstlertruppe durch die Ortspolizei befreit. Carlino soll wegen seiner Übergriffe hart bestraft werden. Zuvor gibt er sich als der zu Unrecht totgeglaubte Gemahl Rosas zu erkennen. Er verzeiht – ihm wird verziehen -, und in allgemeinem Frieden schließt die Oper.

Valentino Fioravanti – Leben und Werk

V. Fioravanti (Rom 1764-1837), zuerst in seiner Heimat, dann in Neapel in Musik unterrichtet, besaß nicht wenig von den Qualitäten, die den Schöpfungen der Buffa-Komponisten seiner Zeit soviel Leben und Frische verleihen: Leichtigkeit der Hand, Flüssigkeit des Dialogs, Eleganz der Form, Feinheit in der Stimmbehandlung. Er debütierte in Rom mit der Oper »Le avventure di Bertoldino« (1784), der in 40 Jahren etwa 70 Opern folgten, die mit großem Erfolg in allen italienischen und vielen europäischen Theatern gegeben wurden. Unter diesen steht als größerer Erfolg »Le cantatrici villane«, eine komische Oper in 2 Akten nach dem Libretto von Giuseppe Palomba (Neapel, Teatro dei Fiorentini, Januar 1799). Zu einem Einakter für die venezianische Bühne San Moise von Giuseppe Foppa (1801) reduziert, erscheint es in der Originalform an der Mailänder Scala (19. April 1802), danach in vielen anderen Theatern – manchmal auch unter verändertem Titel (»Le virtuose ridicole«: »Die lächerlichen Künstler«) – wieder. Übersetzt ins Deutsche, gefiel es Goethe, der es 1807 in Weimar inszenierte.

In diesem reizenden und lebendigen Operchen, das heute noch gefallen kann, verzichtet Fioravanti auf das Seccorezitativ und ersetzt es durch das gesprochene Wort nach dem Beispiel der französischen opera comique. Er schloß das Cembalo aus, das in diesen Rezitativen die harmonische Grundlage gegeben hatte, und wenn wie im 2. Akt eine typische Wendung dieses Rezitativs auftaucht, läßt er es durch das Orchester begleiten. Er schreckte nicht vor – allerdings gezügelten — Zugeständnissen an das Virtuosentum zurück, die aber die immer klare und reine melodische Linie nicht stören. Diese kurze Partitur zeigt flüssige Bewegung und lockere Fröhlichkeit.

»Le cantatrici villane«, zu deutsch »Die Dorfsängerinnen«, konnte sich auch in Deutschland lange auf dem Theater halten, bis es um die Jahrhundertwende ebenso wie sein Komponist fast gänzlich in Vergessenheit geriet. Die letzten nachweislichen Wiedergaben waren 1930 in Gladbach und 1931 in Erfurt. Die Deutsche Oper Berlin brachte im Sommer 1972 in der Orangerie des Charlottenburger Schlosses das Werk in einer Neufassung. Horst Vladar fand in der Staatsbibliothek München eine handschriftliche Partitur der ursprünglichen Fassung und stellte danach das Material für unsere Aufführung her. Die Dialoge sind von ihm neu bearbeitet. Es wäre der humorvollen Oper zu wünschen, wenn sie wenigstens gelegentlich wieder auf den Spielplänen erscheinen würde.

1764 geboren in Rom

1779 Musikstudien in Neapel

1784 Debüt »Le avventure di Bertoldino« in Rom

1791 Fioravanti gehört zu den beliebtesten Opernkomponisten1799 »Le cantatrici villane« (Neapel)

1801 Berufung als Leiter der ital. Oper nach Lissabon

1806 Kapellmeister in Paris

1808 Heimkehr nach Italien und Kompositionen für viele ital. Theater

1816 Kapellmeister der Cappella Giulia an St. Peter in Rom

1837 gestorben in Capua

Giuseppe Palomba – der Librettist

Über sein Leben ist wenig bekannt, obwohl er wie sein Onkel Antonio Palomba eine Unmenge Libretti für fast alle italienische Opernkomponisten seiner Zeit geschrieben hat. Unter diesen waren Logroscino, Jomelli, Guglielmi, Piccini, Paisiello, Cocchi, Fioravanti, Mosca, Cordella und eben Cimarosa. Er lebte von 1765  bis 1825 (wahrscheinlich in Neapel geboren und gestorben). Viele seiner Werke wurden in Deutsch auch in Dresden und Hamburg gegeben.

Ex-Augsburger HORST VLADAR, Mit-Initiator, künstlerischer Leiter und wichtiger Baßbuffo des Unternehmens hat für 1973 ein für das intime Neuburger Stadttheater wie maßgeschneidertes Werk inszeniert: Fioravantis einst sehr erfolgreiche, dann vergessene in letzter Zeit von verschiedenen Bühnen wieder entdeckte „Dorfsängerinnen“. Das heitere Spiel, in dem ein verkrachter Kapellmeister drei ländlichen schönen Primadonnen-Ambitionen in den Kopf setzt, was prompt zu heftigen Eifersüchteleien und Intrigen wie bei professionellen Stars führt, dürfte die wohl bisher gelungenste Produktion der Neuburger Kammeroper sein, was nicht zuletzt auch dem Orchester des Akademischen Orchesterverbandes München unter der Leitung von GEORG ZETTEL zu danken ist.

Schwäbische Neue Presse am 13. Juli 1973

Alle diese Vorzüge haben die Neuburger Kammeroper wohl veranlaßt, „in Sachen Fioravanti‘ das Berufungsverfahren aufzunehmen, und die begeisterte Reaktion des Publikums im reizenden kleinen Theater in Neuburg war eindeutig: Begnadigung, d.h. die „Dorfsängerinnen“ sollen wieder auf die Bühnen, Fioravanti darf wieder gespielt werden! Daß der Erfolg so überzeugend ausfiel, ist auch ein Verdienst der „Anwälte“, die sich des Werkchens angenommen haben. Zuerst muß dabei Horst Vladar genannt werden, der „Kopf und Herz“ der Kammeroper ist; ihm ist die Zusammenstellung des Ensembles zu danken, das Kräfte aus Detmold, Dortmund, Hagen und Ulm umfaßte, er hat die Buffo-Oper vor allem textlich bearbeitet, er sang und spielte glänzend eine der Hauptrollen: den verkrachten Kapellmeister und Komponisten Bucefalo, der mit den drei Dorfsängerinnen eine Opermtruppe aufbauen möchte und sich dabei in alle möglichen Liebes- und andere Händel verstrickt; ihm ist auch die witzige und temporeiche Inszenierung zu verdanken, die sich überzeugend auf dem schwankenden Grat zwischen Charakterkomödie und Situationsulk bewegte; lediglich die „Moritat‘ aus dem Leben des verkannten Sänger- und Theaterdirektors Don Marco sprengte etwas den Rahmen, so vorzüglich sie Ulrich Dünnebach auch sang. Auch die Orchesterprobe — eine Vorwegnahme der berühmten Kantatenszene aus Lortzings „Zar und Zimmermann‘ — bedürfte einer Umgruppierung, sah man doch nur die Rückansicht der Musiker. Sein Hauptrivale um die Gunst der schönen Witwe Rosa ist der mehr elegante als furchterregende Soldat Klaus Feyerabends, der stimmlich italienischen Glanz, darstellerisch ziemlich viel Operettenhaftes mitbrach-te. Die drei Dorfschönen füllten ihre Rollen mit Humor und Leben, waren reizend anzusehen und glänzten mit vorzüglichen Stimmen. Neben Almuth Dietze (eine Spur zu soubrettenhaft) und Kaye Krafft gilt das besonders für die Titelrolle der umschwärmten Witwe und Möchte-Gern-Primadonna Rosa von Rita Herrmann, die besonders im 2. Akt alle Register ihres Könnens ziehende krondnnte und eine köstliche Parodie, bis hin zum hörbaren „innigen“ Augendeckelklappern, aller Starallüren lieferte. Nicht vergessen werden darf das brav musizierende Orchester des Akademischen Orchesterverbands Mänchen unter der ebenso energischen wie liebevoll ins Detail gehenden Stabführung Georg Zettels.

Helmut Hawlata am 11.07.73 in „Donaukurier“ (Ingolstadt

Mit einer sprühenden Folge wohlarrangierter Regieeinfälle bis zum werbenden Schlußaufmarsch „Die Sensation“ wirbelte in urkomödiantischer Lust Horst Viadar seine Solisten durch die Szenen (treiflich dort, wo die optische Transparenz musikalisch pikant erhöht wurde!), nur um ihnen zum Atem holen Zeit zu lassen. Mit dem Damen-Terzett Rosa, Agata und Gianetta (Rita Herrmann, Almuth Diethe und Kaye Krafft) von geradezu schalkhafter Parodie und stimmlich glänzend wetteifernd: die überlegene Witwe Rosa, die gelegentlich wutentbrannte Wirtin Agata und die herzerfrischend um ihr Debüt als Sängerin intrigierende Magd Gianetta.

Horst Vladar selbst als äußerst kreativer Schwerenöter und Talente entdeckender Bucephalo, sein Mitdrahtzieher Don Marco (Ulrich Dünnebach) zwischen Tattrigsein und vergangenen Sünden lavierend (großartig und originell als Szenenüberbrückung in seinem Schnupftabak-Werdegangı). — verständlich schwieriger war es für Klaus Feyerabend als Soldat Carlino in der Entfaltung seiner Troubadourlyrik Kräftig und überzeugend genug mitwirken zu können, daran aber trägt immer und wieder auch der fade gewordene Mythos vom stürmischen Frauenbetörer Schuld.

Aus dem Orchestergraben spürte man indes die kräftig zügige und anpassungsfähige Hand des Dirigenten Georg Zettel, aus dessen Deutung eine saubere Orchesterleistung erwuchs, der mit sparsamen Mitteln dem Fest erst die wirkungsvolle Würze verlieh.

Wetteifernden Rahmen hielten die Bühnenbildner Heinrich Vladarsch — der in der Schlußszene zusammen mit Manfred Basel als entwirrender Dorfpolizist und sein Lehrling auftrat — und Ernst Schöberl.

Renate Wörle am 10.07.73 in „Neuburger Rundschau“
Neuburger Kammeroper